Wien – Die ersten Einwohner haben Camini in den Fünfzigerjahren Richtung Norditalien und Deutschland verlassen. Es gab keine Arbeit mehr in dem an der Küste des Ionischen Meeres gelegenen Dorf. Manche erinnern sich noch daran, was die Abwanderung damals für die Auswanderer, aber auch für die zurückgelassenen Familien bedeutete – Krankheit, Depression, Angst vor dem Verlust der Angehörigen.

Joerg Burger

Heute sitzen die alten Männer vor der Taverne und betrachten die Neuankömmlinge offensichtlich mit gemischten Gefühlen. In dem Projekt, das Giusi und Rosario, ein Paar mittleren Alters, für Asylsuchende entwickelt haben und mit vollstem Einsatz verfolgen, sehen nicht alle Einwohner Caminis Vorteile. Die Männer, Frauen und Kinder, die es über das Mittelmeer nach Europa geschafft haben, sollen in den vielen leerstehenden Wohnungen eine Unterkunft finden und im Rahmen des Projekts in der Landwirtschaft mithelfen. Knapp achtzig Asylwerbende leben derzeit in dem kalabrischen Dorf und bringen neues Leben in die alten Häuser und Straßen.

Kein Stranden

Ein aufmerksames Erkunden und genaues Zuhören sind die wichtigsten Vorzüge von Joerg Burgers "Un solo colore". Die erste Hälfte dieses Films mag sich noch dem unermüdlichen Einsatz von Giusi und Rosario widmen, doch Burger versteht es, dem Vorzeigeprojekt spätestens dann mit einem klaren, nüchternen Blick zu begegnen, wenn die Asylwerbenden selbst zu Wort kommen: Bei aller Wertschätzung für die Hilfeleistung geht es ihnen – dem Mädchen, das sich nach Mailand wünscht, ebenso wie der Frau aus Ghana, die ihre eigene Wohnung schätzt – darum, was der Alltag hier für die Zukunft bedeutet. Burger findet wiederholt Bilder eines sozialen und kulturellen Austauschs und macht, als sein eigener Kameramann mit der nötigen Distanz zum Geschehen, dennoch deutlich, dass Weinlese oder abendliches Fußballspiel nur ein erster Schritt sein kann, der die neuen Einwohner woanders hinführen muss.

Warnung und Hoffnung zugleich: der Leuchtturm auf der kleinen Anhöhe von Camini in "Un solo colore".
Foto: sixpackfilm

Vielleicht bekommt man auch deshalb Camini nie zur Gänze in einer Totalen zu sehen, stattdessen am Ende den Leuchtturm an der Küste, der nach wie vor die Schiffe vor dem Stranden warnt. Für manche aber als ein Zeichen der Hoffnung. (Michael Pekler, 12.9.2016)