Im Film "Das Mädchen Wadjda" erzählt die saudi-arabische Regisseurin Haifaa al-Mansour vom Kampf einer Elfjährigen ums Fahrradfahren.

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Frauen bei ihren ersten Fahrversuche. Das Workshopangebot richtet sich an alle Frauen, egal welcher Herkunft.

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Fahrradfahren bedeutet Freiheit – die Wiener Frauenwerkstatt Crafistas bietet Fahrradkurse für Frauen an.

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Fahrradfahren verlernt man sein Leben lang nicht. Wenn man es denn einmal kann. Aufsteigen, die Füße auf die Pedale, und los! So einfach erscheint das für alle, die es können. Aber nicht in allen Kulturen ist es üblich, dass auch Frauen Radfahren lernen dürfen. In ihrem Film "Das Mädchen Wadjda" beschreibt die saudi-arabische Regisseurin Haifaa al-Mansour in eindringlichen Bildern den Kampf einer Elfjährigen ums Fahrradfahren. Für Mädchen gilt es in dem streng islamischen Land als unschicklich, und Wadjdas Mutter verbietet es auch ihrer Tochter. So wird der Kampf ums Fahrrad auch einer um eine – auch im übertragenen Sinn – größere Bewegungsfreiheit.

Fahrradfahren als Akt der Emanzipation

Der Film erschien 2012 und ist aktueller denn je. Aufsteigen, vorsichtig einen Fuß aufs Pedal setzen, zögern, dann den anderen, wackeln, wieder absteigen. Es ist kein Kind, sondern eine Frau, die da auf der Prater-Hauptallee in Wien erste Fahrversuche macht. Sie lacht, versucht es wieder und wieder: aufsteigen, die Füße nicht auf die Pedale und einfach einmal losrollen wie auf einem Laufrad, das ist eine gute Übung, die die Angst nimmt.

"Wir haben das Projekt 'Bewegungsfreiheit selbst erfahren' initiiert, da uns bewusst war, dass Flüchtlinge meist nicht über die finanziellen Mittel verfügen, sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen", erklärt Henrike Kovacic von den Craftistas. Da die vormals von der Caritas gestützten billigeren Monatstickets in Wien gestrichen wurden, habe sich die Situation verschärft.

In der Frauenwerkstatt der Craftistas lernen Frauen Technik und Handwerk, reparieren Fahrräder, aber auch diverse technische Geräte. Die Aktivistinnen engagieren sich für Geschlechtergerechtigkeit im Alltag und wollen ihre Ziele mittels Handwerk (craft) und Selbermachen (activism) umsetzen. Die Craftistas halten das Fahrrad für das günstigste, gesündeste und ökologischste Fortbewegungsmittel in der Stadt. Sie glauben, dass es nur durch die Zunahme an radelnden VerkehrsteilnehmerInnen zu einem Ausbau des Radverkehrsnetzes kommen wird.

Reines Verschenken zu gefährlich

"Das reine Verschenken von Fahrrädern an Flüchtlinge erschien uns in Wien zu 'gefährlich', da die Wiener Verkehrssituation, anders als auf dem Land, oft komplex ist", sagt Kovacic. Darüber hinaus gebe es viele Kontrollen der StVO-Tauglichkeit des Rades. "Nichtwissen darüber, dass ein Fahrrad zum Beispiel eine 'Vorrichtung zur Abgabe akustischer Warnsignale' braucht, kostest schnell 36 Euro, was bei einem 'Monatsbudget' von 40 Euro unbezahlbar ist", unterstreicht sie die Bedeutung von ausreichender Vorbereitung und Information.

Das Projekt, das von der Wiener Gesundheitsförderung und privaten Spenden unterstützt wird, läuft seit Mitte Juni und noch bis Ende Oktober. Rund 70 Frauen haben bisher teilgenommen. Projektunabhängige Fahrradreparatur-Selbsthilfeworkshops werden von den Craftistas zudem immer wieder das ganze Jahr über angeboten.

Dass viele Frauen nicht Fahrrad fahren können, habe "meist mit den finanziellen Ressourcen ihrer Herkunftsfamilien" zu tun, sagt Kovacic. "Manche Frauen aus muslimischen Familien lernten als Mädchen nicht Fahrrad fahren, weil es 'keine Mädchentätigkeit' ist." Das Angebot richtet sich aber bewusst an alle Frauen, egal welcher Herkunft.

Auch Wienerinnen die Angst nehmen

"Viele Frauen, auch Wienerinnen, können Fahrrad fahren, trauen es sich aber in der Stadt nicht, da der motorisierte Verkehr zu wenig Rücksicht auf schwache, nichtmotorisierte VerkehrsteilnehmerInnen nimmt. Wenn es um Vorranggeben geht, herrscht in Wien nicht der Grundsatz, niemanden verletzen zu wollen, sondern die legale Vorrangsituation bestimmt", sagt Kovacic. "Viele Frauen wollten jetzt Fahrrad fahren lernen, um in der Stadt mobil zu sein, andere Frauen haben einfach Spaß an unserem Angebot und genießen es, dem Heimalltag in Flüchtlingsunterkünften zu entkommen." (Tanja Paar, 13.9.2016)