Die internationalen Wahlbeobachter der OSZE waren drauf und dran, der Einladung zur Beobachtung der Bundespräsidentenwahl am 2. Oktober zu folgen, die Außenminister Kurz bereits im August ausgesprochen hatte. Nun müssen sie ihre Reisepläne ändern. Am Sinn der Wahlbeobachtung in Österreich besteht nach den Ereignissen der letzten Wochen kein Zweifel. Denn durch die Anwesenheit und Analyse der Wahlbeobachter wird garantiert, dass hier alles mit rechten Dingen zugehen wird. Damit wird möglichen "Dolchstoßlegenden" schon vorab ein Riegel vorgeschoben.

Innenminister Sobotka will dafür sorgen, dass am 4. Dezember alles nach neuem Recht und Gesetz ablaufen wird. Bedauerlich, dass nicht das gesamte Parlament hinter dem zweiten Anlauf für die nicht zu vermeidende Wiederholung der Stichwahl steht. Aber dem zuzustimmen, was Vertreter der großen Koalition und anderer Parteien vorschlagen und die Lage objektiv gebietet, passt wohl nicht in das Konzept des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache. Er bleibt bei der leicht zu durchschauenden Taktik, hinter jeder Regung der Regierung und erst recht hinter der Verschiebung des Wahltermins eine Machenschaft des "rot-schwarz-grünen Systems" zu wittern und in den sozialen Medien so neuen Verschwörungstheorien Nahrung zu geben. Damit hat er seine Partei in den Umfragen an die Spitze gebracht. SPÖ und ÖVP fanden kein wirklich überzeugendes Konzept, auf die Halbwahrheiten des Rechtspopulisten zu erwidern.

Österreich nähert sich so langsam, aber unsicher den US-Verhältnissen, wo politische Kommunikation in den sozialen Netzwerken mittlerweile eine Parallelwelt zur gedruckten schafft. Anhänger der einen oder anderen politischen Glaubensrichtung nehmen nur noch Argumente zur Kenntnis, die ihre eigene Überzeugung stützen. Eine Auseinandersetzung findet immer weniger statt.

Sobotkas Entschluss, angesichts der Kleberaffäre einen Fast-Neustart für diese Bundespräsidentenwahlwiederholung zu beginnen, ist sicher richtig. Allerdings eines wird er damit nicht erreichen: Die Politikverdrossenheit großer Teile der Bevölkerung lässt sich durch die Verschiebung nicht einfach ausradieren.

Der neue SPÖ-Vorsitzende und Kanzler Kern hat die Profillosigkeit seiner Partei erkannt. Er setzt alles daran, der SPÖ neue Inhalte und so wieder eine Identität zu geben, die ausstrahlt. Der Koalitionspartner ÖVP leidet an derselben Krankheit. Ihr Hoffnungsträger Kurz bemüht sich um Abhilfe durch geschicktes Taktieren und starke Akzente, zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik.

Das gelingt ihnen bisher nicht anders als auf Kosten des jeweils anderen. Doch solange die große Koalition mehr gegeneinander denn miteinander arbeitet, werden keine Fortschritte erzielt, die das Zutrauen in die Politik wieder erneuern. Die Koalitionsparteien müssen gemeinsam klarmachen, dass ihr Handeln das Land aus seinen Problemen herausführt. Reformen in Bildung, Verwaltung, Rentensystem sind nur drei jener Probleme, die seit Jahren diskutiert, aber nicht gelöst werden.

Und in der Flüchtlingspolitik muss mit Augenmaß geltendes Recht angewendet werden, ohne das Asylrecht auszuhöhlen.

Die Glaubwürdigkeit der Regierung leidet darunter, wenn nur auf die nächste Koalition, womöglich mit Straches FPÖ, geschielt wird. Die durch den Zustrom der Asylbewerber ausgelöste Verunsicherung vieler Bürger hat letztlich dazu beigetragen, dass die FPÖ nun in Oberösterreich und im Burgenland mitregiert. Die Glaubwürdigkeit, die das Ergebnis der Wahl am 4. Dezember auszeichnen soll, muss auch in allen anderen Politikbereichen spürbar werden. Anders als in Deutschland, wo der Wahlkampf bereits begonnen hat, steht die österreichische Regierung noch in der Pflicht, Ergebnisse zu liefern. Als Wechselwirkung wäre damit ein wirklicher Neustart der Koalition denkbar. Übrigens wohl das einzige Mittel, um den Rechtspopulisten etwas entgegenzusetzen.

Es geht in den kommenden Wochen um mehr als nur um die korrekte Wahl eines neuen Bundespräsidenten. Es geht um die Frage: Will Österreich an der Seite von Staaten wie Ungarn und Polen weniger Europa und mehr nationalen Alleingang? Oder will der Wähler kulturelle Vielfalt und wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa fortsetzen und vertiefen? (Klaus Prömpers, 13.9.2016)