Die EU-Kommission drängt auf Fortschritte bei der Digitalunion. Ziel seien sichere und allgegenwärtige Netzanbindungen mit optimaler Geschwindigkeit und Qualität, sagte Digitalkommissar Günther Oettinger am Mittwoch in Straßburg. Mit einer neuen Spitzeninfrastruktur soll auch das BIP bis 2025 um 910 Milliarden Euro steigen. Europa werde beim Ausbau der 5G-Technik vorangehen, kündigte Oettinger an. Es sei "an der Zeit, zu einer Gigabyte-Gesellschaft überzugehen und dafür zu sorgen, dass alle Europäer, egal ob sie auf dem Land oder in der Stadt leben, eine hochwertige Internetanbindung erhalten".

Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip erklärte, ohne erstklassige Kommunikationsnetze werde es keinen digitalen Binnenmarkt geben. Die Frequenzpolitik müsse EU-weit besser koordiniert werden.

Bessere Koordination

Die Kommission hatte am Mittwoch einen neuen europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation vorgeschlagen. Damit könnten 1,3 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen. Darüber hinaus könnten weitere zwei Millionen Arbeitsplätze mit dem Ausbau der 5G-Technik geschaffen werden. Schließlich soll mit der Initiative "WiFi4EU" die europäischen Gemeinden unterstützt werden, allen Bürgern kostenfreie Wifi-Zugangspunkte anzubieten.

Durchgängige 5G-Anbindung erwünscht

Konkret sollen alle Bereiche mit besonderer sozioökonomischer Bedeutung wie Schulen, Verkehrsknotenpunkte, Krankenhäuser und Verwaltungen sowie Unternehmen eine äußerst leistungsstarke Gigabyte-Internetanbindung haben mit einem Gigabyte pro Sekunde. Ferner sollen alle Privathaushalte einen Internetanschluss mit einer Empfangsgeschwindigkeit von mindestens 100 Megabyte/Sekunde haben, die auf Gbit/s aufgerüstet werden kann. Alle Stadtgebiete sowie Straßen- und Bahnverbindungen müssten durchgängig mit einer 5G-Anbindung – mit drahtlosen Kommunikationssystemen der fünften Generation – versorgt werden. Als Zwischenziel sollte bis 2020 mindestens eine Großstadt in jedem EU-Land auf gewerblicher Grundlage mit 5G-Technik ausgerüstet werden.

Die Investitionskosten belaufen sich laut Kommission auf 500 Milliarden Euro. Dieser Betrag müsse vor allem von privater Seite aufgebracht werden. Gemessen an der aktuellen Entwicklung sei aber mit einer Investitionslücke von 155 Milliarden Euro zu rechnen.

"Ideenwettbewerb" für Roaming

Der "Ideenwettbewerb" zur Abschaffung der Roaming-Gebühren sei eröffnet, erklärte Oettinger außerdem. Es sei wesentlich, dass einerseits Missbrauch verhindert werde und andererseits Bürger, die auf Reisen sind, nicht mehr bezahlen müssen als zu Hause. Aber "es gibt nicht den einen Telekommarkt in Europa", so Oettinger.

Die Länder, in denen Telefonieren am billigsten ist, seien Lettland, Litauen, Rumänien und Bulgarien. Am höchsten sei der Preis in Luxemburg, Irland, Großbritannien und Zypern. Der Preisunterschied betrage bis zu das Sechseinhalbfache. "Wenn ein Ire eine SIM-Karte eines Telekombetreibers in Lettland bestellt, aber nie nach Lettland fährt, sondern immer in Dublin telefoniert, muss die lettische Company aus dem Großhandelsmarkt Irland zu weit höheren Preisen einkaufen, als sie selbst im Retail-Bereich Geld verdient. Die ist in wenigen Tagen insolvent und es gibt dann auch keine Investitionen mehr. Diesen Missbrauch zu verhindern, deswegen hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nun den Ideenwettbewerb eröffnet", so Oettinger.

Ansip: "Keine gleiche Lage"

Ansip verwies darauf, dass die Lage in den Staaten bei Roaming nicht gleich sei. "In den nordischen Staaten wie Finnland können die Leute für den gleichen Preis 35 Jahre lang hundertmal mehr Gigabyte beziehen als in Ungarn. Oder 50-mal mehr als in Deutschland. Wenn also der Preis im Inland sehr viel tiefer ist als der Gesamtpreis, den wir für die ganze EU vorgeschlagen haben, bedeutet das, dass die nordischen Länder natürlich Verluste schreiben werden, mit jedem Gigabyte oder Megabyte. Aber gleichzeitig wissen wir, dass in den südlichen Staaten investiert werden muss." Derzeit "haben wir eine Sperrminorität von beiden Seiten. Vom Norden, die wollen tiefere Gesamtpreise, und vom Süden, weil die höhere Preise wollen. Ich bin nicht bereit zu sagen, dass die einen Recht haben und die anderen nicht. Das mache ich nicht. Wir müssen eine Lösung finden, die alle zufriedenstellt", so Ansip.

Wenn die Roamingkosten abgeschafft werden, "geht es nicht nur um die Anzahl der Tage, sondern auch darum, die Gesamtkiosten festzulegen, um faire Nutzungsprinzipien zu haben". Deswegen müsse hier eben Missbräuchen ein Riegel vorgeschoben werden. Hier müsse eine Lösung gefunden werden, die "100 Prozent aller Fälle abdeckt". Wenn dies nicht möglich ist, könnte es eine Ausnahmeklausel geben, sagte Ansip. (APA, 14.9.2016)