Wien – Beim Heranpirschen an die Tiere ist die Erregung der Jäger am deutlichsten zu bemerken. Während sie durch den Feldstecher blicken und das Gewehr zum Schuss anlegen, meint man den kurzen Atem zu hören. Herr über Leben und Tod zu sein, das ist eine Erfahrung, über die Europäer und Europäerinnen kaum mehr verfügen. In Westafrika wird sie im "safe environment" eigens dafür angelegter Ranches immerhin als Spezialurlaub angeboten. Da geht es um keine Jagd im ritualisierten Sinne mehr, sondern um einen Sonderservice, welchen vom Sextourismus nicht so viel trennt.

Im Jagdurlaub in Afrika – mit viel ästhetischem Feingefühl inszeniert Ulrich Seidl seine Tableaus.
Foto: Ulrich Seidl Film Produktion

Beide richten ein Begehren auf ein Objekt. Das hat Ulrich Seidl erkannt und über beide Formen nun je einen Film gemacht. Allerdings gelingt es Paradies: Liebe und Safari unterschiedlich gut, sich dem anzunehmen. Bei Paradies: Liebe geht es um einen Dialog, in Safari, der wieder mehr auf der dokumentarischen Seite liegt, mehr um ein Miterleben.

Die Jagdszenen (Kamera: Wolfgang Thaler) bleiben zentral. Man geht mit auf die Pirsch und ist beim "Erlegen" der Tiere dabei, man kann den Kitzel erkennen, den die Lust aufs Töten mit sich bringt. Auch ein kleiner Sprachkurs ist damit verbunden: Jäger-Begriffe wie "schweißen" für "bluten" helfen, dem Geschehen eine abstraktere Note zu verleihen. Am Ende wird das tote Tier zum Trophäenbild schön hergerichtet.

Safari verfolgt in diesen Szenen eine ansteigende Dramaturgie. Die Tiere werden sukzessive größer, auf das Wild folgt ein Zebra, auf das Zebra eine Giraffe. Letztere liefert mit ihrem Todeskampf, bei dem sich der lange Hals qualvoll schlingernd aufbäumt, jenes Bild, das einen von Safari am nachhaltigsten in Erinnerung bleibt. Es ist auf eine Weise bestürzend real, wie andere Teile des Films in ihrer Wiederholung von Jägerplattitüden nur vordergründige Rechtfertigungen bleiben.

Stadtkino Filmverleih

Das ist natürlich ein Teil des Seidl'schen Prinzips. Die Kamera wird zu einem Spiegel, in dem sich die Protagonisten – in diesem Fall vor allem eine vierköpfige oberösterreichische Familie – selbst ins Gesicht blicken müssen, aber dabei nichts durchschauen. Den Kindern wurde das Hobby der Eltern schon vor längerer Zeit nahegebracht. Die Leidenschaft wird von allen geteilt, nur die Ambitionen unterscheiden sich voneinander. Bei Detailfragen herrscht bald einmal Unklarheit.

Zufrieden mit Blickvorlieben

Die Tableaus sind wie immer bei Seidl mit viel Feingefühl für die Ausstattung inszeniert. Die Selbstgewissheit, mit der die Figuren über ihre Jagdvorlieben sprechen, macht das Zuschauen allerdings zu einem Stück Arbeit. Die Unverblümtheit lässt nicht unbedingt tiefer in sie hineinblicken. Es gibt keine verborgene Ebene, keine versteckte Motivlage. Alles liegt hier vorn in der Auslage, und Seidl greift gerne zu. Sogar der Rassismus des deutschen Ranchbetreibers tritt so offen zutage, dass er im Grunde langweilig ist.

Seidls System, das er mittlerweile auf alle möglichen Standorte anwendet, funktioniert dann am besten, wenn es etwas zum Vorschein bringen will, wovon man gern den Blick abwendet, obwohl es nicht wegzuleugnen ist. In Safari ist zu vieles zu schnell evident. Anders als in Paradies: Liebe kommen auch die Afrikaner nicht zu Wort. Sie sind die stummen Zeugen eines Schauspiels und zerlegen anschließend die toten Tiere. Seidl filmt sie auch dabei, wie sie an nackten Knochen nagen. Das ist dann eigentlich ein Klischee, das eher auf Seidl zurückfällt: Es erzählt von einem Filmemachen, das sich mit den eigenen Blickvorlieben zu schnell zufriedengibt. (Dominik Kamalzadeh, 16.9.2016)