Es ist ein idyllischer Anblick: Pittoreske Häuser, mit Holz verkleidet, thronen unter einer waldigen Berglandschaft. Bergab Richtung Tal liegen grüne Wiesen. Ein schmaler Weg bahnt sich nach oben in den Ort. So oder so ähnlich sehen viele Dörfer in Tirol aus. Den Unterschied machen in Obertilliach in Osttirol die scheinbar willkürlich in der Landschaft verstreuten Schupfen – es sind kleine, alte Heuhütten, ein Überbleibsel aus früheren Zeiten, als Heu noch per Hand oder mit Pferden eingebracht wurde.

Foto: Hansjörg Schneider

"Der modernen Landwirtschaft von heute sind die Schupfen aber im Weg", erklärt Hans Ganner, Gemeindevorstand in Obertilliach. Und hier beginnt das Problem. Wurden die über 200 Jahre alten Schupfen in früheren Tagen zur Einlagerung von Heu verwendet, sind sie beim Mähen mit modernen Geräten heutzutage ein Hindernis.

"Viele betreiben ihre Landwirtschaft im Nebenerwerb, da muss alles sehr schnell gehen", erklärt Ganner. "Aufgrund der Schupfen müssen die Bauern vom Traktor absteigen und mit der Sense oder dem Motormäher den Bereich um die Schupfen ausmähen."

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Viele wollen die Stadl daher abreißen, auch weil sie sie für die Landwirtschaft nicht mehr gebrauchen können und die Hütten ohnehin langsam verfallen. Ganner und einige Gleichgesinnte wollen das Kulturgut, das seit Jahrzehnten die Landschaft in Obertilliach prägt, jedoch davor retten. Sie haben die Initiative "Rettet die Schupfn" und einen gleichnamigen Verein gegründet.

Initialzündung war eine Aktion im vergangenen Winter, bei der die Giebel von 20 der insgesamt 35 Schupfen in Obertilliach einmal pro Woche – immer mittwochabends – mit insgesamt 1200 Metern LEDs beleuchtet wurden. Gesponsert wurde die Aktion von einer Elektrofirma.

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Die Idee zur Beleuchtung und zur Schupfenrettung kam von Privatpersonen von auswärts, wie Ganner erklärt. "Als Ansässiger ist man sozusagen 'betriebsblind', erst Besucher aus der Nähe von Innsbruck haben die Schupfen entdeckt und zu uns gesagt: 'Da gehört etwas getan.' Sie haben auch die Beleuchtung organisiert." Das sei damals der Anstoß für das Projekt gewesen. Die Absicht dahinter, so die Sprecher der Initiative: "Durch die Giebelbeleuchtung, die letzten Herbst an einigen der Schupfen angebracht wurde und die im Winter zum Einsatz kommt, soll die Bevölkerung sensibilisiert werden. Dadurch kann dann in weiterer Folge wertvolles Kulturgut erhalten bleiben."

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"Und jetzt sind wir dran", ergänzt Ganner euphorisch. Ein Gremium aus Privatpersonen, der Gemeinde Obertilliach, dem örtlichen Tourismusverband und der Jungbauernschaft will in einem ersten Schritt die Substanz der einzelnen Schupfen erheben, um herauszufinden, welche Hütten eine Renovierung am dringendsten benötigen.

Saniert werden soll mit Spenden, Sponsorengeldern und Unterstützung vom Land Tirol. Ganner hofft auf Förderungen für den Erhalt der Kulturlandschaft. "Im nächsten Schritt müssen wir nur noch die Bauern dazu animieren, in die Schupfen zu investieren und sie gemeinsam mit dem Verein zu renovieren", sagt Ganner.

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Und auch das scheint zu glücken. "Generell kommt die Aktion gut an", so der Gemeindevorstand. In einer ersten Sitzung mit allen Bauern habe man sich auf die Rettung der Schupfen verständigt – "das Projekt steht auf sicheren Füßen". In der Bevölkerung gebe es aber dennoch Vorbehalte, und teilweise fehle das Verständnis: "Es gibt natürlich auch Leute, die kritisch sind und uns für ewiggestrig halten", erzählt Ganner.

Davon lassen sich die Schupfenretter jedoch nicht aufhalten. Auch für die Nutzung der renovierten Schupfen haben sie sich schon verschiedene Konzepte überlegt. "Man könnte sie nach wie vor zur Heueinlagerung nutzen", schlägt Ganner vor. Nach Umbauarbeiten, etwa dem Einsetzen eines größeren Tors, könnten in den Schupfen auch landwirtschaftliche Geräte untergebracht werden, die nur einmal im Jahr von den Bauern gebraucht werden, sagt Ganner.

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Obwohl es auch in Österreich Beispiele für den Umbau eines Stadls in Wohnraum gibt, kann Ganner sich diese Option für Obertilliach nicht vorstellen: "Erstens sind die Wege, die zu den Schupfen führen, alle privat. Zweitens wäre das Verlegen von Wasser- und Abwasseranschlüssen sehr kompliziert."

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Das Beleuchten der Schupfen im vergangenen Winter hat den Heustadln und der Initiative "Rettet die Schupfn" vor allem in der Region zu Bekanntheit verholfen. Zu weit größerer Berühmtheit haben es die kleinen Holzbauten aber durch den James-Bond-Film Spectre gebracht. Denn der romantische, tief verschneite Ort, in dem Daniel Craig als James Bond mit einem Flugzeug durch einen Stadl kracht, ist Obertilliach. Rechts und links vor der spektakulären Karambolage kurz im Bild zu sehen: die Schupfen. Auch damals schon gab es, wie Zeitungen berichteten, kritische Stimmen, weil die Angst um den Erhalt der Schupfen im Ort groß war. Doch Ganner beruhigt: "Manche der Schupfen wurden für die Dreharbeiten wegtransportiert und teilweise auch wieder zurück an ihren ursprünglichen Standort gebracht. Dass ein paar dem Film zum Opfer gefallen sind, können wir aber verkraften."

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Er hofft, die Schupfen, die zum Wahrzeichen von Obertilliach geworden sind, erhalten zu können. "Verfallen die Schupfen oder werden sie abgerissen, geht Unwiederbringliches für immer verloren. Für uns Obertilliacher sind sie so wichtig, weil sie ein Stück Heimat bedeuten und ein wichtiger Teil unserer Identität sind." (Bernadette Redl, 17.9.2016)

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