Lee Nutbean lädt dazu ein, ihre fiktive Facebook-Identität mit widersprüchlichen Informationen zu füttern. In der Ausstellung liegen dazu Benutzername und Passwort bereit.

Foto: Lee Nutbean

Wien – Das Paraflows-Festival hinterfragt von jeher das Menschsein im digitalen Zeitalter. In der diesjährigen, elften Ausgabe dreht sich alles um Identität. Neben Theaterstück und Konzertreihe zeigt die Ausstellung paraflows.IX IDENTITY Reflexionen von insgesamt 17 internationalen Künstlern.

Im Ausstellungsraum kracht und tönt es von allen Seiten. Als wäre man mitten in einer "Identitätsmaschine", werkeln die Installationen vor sich hin. Sie stören die eigenen Gedanken und stellen sich als Objekte in den Weg. Dabei scheint man selten "echten" Identitäten auf der Spur zu sein.

Der fiktive Künstler Georg Paul Thomann ist beispielsweise ein Konstrukt des Kollektivs monochrom. Erfunden haben ihn die Mitglieder des Kollektivs, weil sie Österreich nicht persönlich bei der Biennale in São Paulo 2002 vertreten wollten. Grund: die damalige schwarz-blaue Regierung.

Drei Jahre später ließ man Thomann sterben und bestattete ihn im Rahmen einer Kunstaktion in Hall in Tirol. Als Patienten der nahegelegenen Psychiatrie für den Verstorbenen zu beten begannen, musste der Grabstein entfernt werden. Die fiktive Künstleridentität erhielt eine zu starke reale Bedeutung, zu sehen in dem Video Georg Paul Thomann – I want to believe.

Spuren aus Stein

Die Aktion Faux Pas der britischen Künstlerin Lee Nutbean findet in den sozialen Medien statt. Im Netz hinterlassen wir Spuren, die kommerziell verwertet werden. 2014 erstellte Nutbean ein fiktives Facebookprofil, um dieses System zu durchbrechen: Sie fütterte dieses mit völlig widersprüchlichen Informationen. Besucher sind eingeladen, die multiple Persönlichkeit zu erweitern.

Unsere Spuren auf digitale Medien verdeutlicht die Installation Visual Messages der ungarischen Künstlerin Dorottya Kalocsai. Verfasste Nachrichten auf dem Smartphone gehen mit Schmutz und Fingerabdrücken auf dem Bildschirm einher: Daraus formte Kalocsai smartphoneartige Steinobjekte, die zum Nachspüren dieser sichtbaren "Nachrichten" einladen.

Beim Gang durch die Ausstellung kann es dann sein, dass ein lautes – ein sehr lautes – Staubsaugergeräusch einen aus den Gedanken reißt. Die Installation von Leander Schönweger besteht aus unzähligen Motoren alltäglicher Haushaltsgegenstände. Einmal am Tag werden diese unangekündigt eingeschaltet – und vermitteln laut Schönfelder unweigerlich Kindheitserinnerungen: An jene Wochenenden, an denen man ausschlafen wollte, das mütterliche Staubsaugen vor der Zimmertür aber mutwillig dabei störte. Dementsprechend heißt die Installation auch: Die Mama ist extra laut. (Katharina Stöger, 19.9.2016)