Kanadas Premier Justin Trudeau und Bundeskanzler Christian Kern trafen einander diese Woche beim Flüchtlingsgipfel in New York. In Sachen Ceta hatten die beiden einiges zu besprechen.

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Wien – Der Ausgang war ebenso eindeutig wie erwartbar: Eine überwältigende Mehrheit der SPÖ-Mitglieder (und anderer Teilnehmer) hat bei einer von Bundeskanzler Christian Kern initiierten Befragung heikle Aspekte des EU-Kanada-Abkommens Ceta abgelehnt. So unspektakulär das Ergebnis, so spannend ist die weitere Vorgangsweise. Teile der SPÖ sind dafür, dass Wien Ceta jetzt zu Fall bringt. Auch von FPÖ, Grünen und Umweltorganisationen wird Druck auf Kern ausgeübt, das Handelsabkommen zu kippen.

Rote Linien

Die SPÖ dürfe nicht denselben Fehler machen wie die deutsche SPD und selbst gesetzte rote Linien überschreiten, warnt die Chefin der Sozialistischen Jugend, Julia Herr. Sollten etwaige Nachverhandlungen mit Kanada kein zufriedenstellendes Ergebnis bringen, müsse es zur Ablehnung von Ceta kommen. Ähnlich kommentiert die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament, Evelyn Regner, die Mitgliederbefragung. Auch sie fordert "substanzielle Änderungen", ohne die es "keine Zustimmung" geben solle. Allerdings werde man über eine Ablehnung erst am Ende der Verhandlungen entscheiden, sagt Regner zum STANDARD.

Optimismus versprüht Arbeiterkammerpräsident Rudolf Kaske, der zuversichtlich ist, dass beide Seiten "alles für das Erreichen einer befriedigenden Lösung unternehmen" werden. Klar stellt er allerdings, dass die jetzt vorgesehene Regelung für Schiedsgerichte "nicht akzeptabel" sei.

Für Politikwissenschafter Peter Filzmaier ist die Vorgehensweise der SPÖ keine gute Form der Mitgliederbeteiligung: "Diese Befragung hat den Beigeschmack eines PR-Gags. Unter dem Eindruck einer sicheren Mehrheit wird im Anlassfall mit tendenziell suggestiven Fragen gearbeitet."

Kritik von der ÖVP

Kritik kommt auch vom Koalitionspartner ÖVP. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner warnte vor einem Schaden für das Land: "Dass Österreich mit 60 Prozent Exportanteil plötzlich von Handelsabkommen Abstand nimmt, wird uns international in Diskussion bringen."

Wie viele SPÖ-Vertreter setzt aber auch er auf die Ausverhandlung einer zusätzlichen Erklärung zum Ceta-Vertrag. In dieser Art Beipacktext soll klargestellt werden, dass bei öffentlichen Dienstleistungen auch in Zukunft kein Zwang zu Privatisierungen herrscht, dass Arbeitnehmer- und Umweltschutzstandards gesichert sind und dass das Schiedsgerichtssystem unabhängige Entscheidungen gewährleistet.

Kern hat versichert, das ablehnende Votum der Parteibasis in Sachen Schiedsgerichte (92 Prozent sind dagegen) ernstzunehmen. Dass aber das ganze Kapitel Investitionsschutz mitsamt den Schiedsgerichten nachträglich gekübelt wird, scheint nicht denkbar. Die EU-Kommission hat versichert: Das Abkommen wird nicht noch einmal aufgemacht.

Zusatzerklärung

Kann die österreichische Regierung Ceta also nur noch als Ganzes ablehnen? Nein, heißt es aus dem Umfeld des Kanzlers. Geplant sei vielmehr, dass der Investitionsschutz nicht vorläufig angewandt wird – er fällt in die alleinige Kompetenz der Mitgliedsstaaten, tritt also erst mit Zustimmung der nationalen Parlamente in Kraft. Österreich könne den Investitionsschutz dann ablehnen, ohne dass dabei gleich das ganze Abkommen fällt.

In Kommissionskreisen ist das durchaus vorstellbar. In der Zusatzerklärung ließe sich für Mitgliedsländer eine Ausstiegsmöglichkeit zu einzelnen Punkten des Abkommens einräumen, heißt es. Die Frage ist, ob die Regierung in Wien für so eine Sondervereinbarung das politische Gewicht hat. Es herrscht weiter Gesprächsbedarf – zum Beispiel beim EU-Handelsrat am Freitag in Bratislava. (as, sat, smo,20.9.2016)