Es wird ja nicht richtiger, wenn STANDARD-Autoren einander zustimmend zitieren, wie es kürzlich bei Hans Rauscher ("Die Außenpolitik von Kern und Kurz", der STANDARD vom 21. September) mit Eric Freys Kommentar "Die falsche Kern-Schelling-Debatte" (der STANDARD vom 18. September) geschah.

Frey meint, dass Kern und Kurz die falsche Debatte führten, wenn Kern für ein Ende der Sparpolitik in Europa plädiert und Schelling ihn deswegen als "linken Ideologen" (was ist daran eigentlich so schlimm?) bezeichnet. Beide, Frey und Rauscher negieren die Bedeutung einer europäischen Wirtschaftspolitik und plädieren – wie die EU-Kommission – für eine länderweise Betrachtung. Also, ja, Deutschland mit seinem riesigen Leistungsbilanzüberschuss könnte mehr investieren, aber Defizitländer hätten keinen Spielraum.

Die beiden STANDARD-Kommentatoren übersehen dabei, dass die traurige Wirtschaftsleistung der EU beziehungsweise der Eurozone (wenig Wachstum, sehr hohe Arbeitslosigkeit, hohe Verschuldung) eben nicht nur durch einzelstaatliche Maßnahmen hervorgerufen ist (und damit von diesen allein behoben werden kann), sondern dass es (fast) keine "europäische" oder "Eurozonen"-Wirtschaftspolitik gibt, und zwar ganz besonders auf dem Gebiet der Fiskalpolitik.

Keine EU-Fiskalpolitik ...

Die fiskalpolitischen Vorgaben der EU (durch die EU-Finanzminister bekräftigt und von der Kommission durchgesetzt) erschöpfen sich noch immer in den Auswirkungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der die Länder mit hohen Defiziten und hohen Schuldenquoten zwingt, einen Konsolidierungskurs zu fahren, der primär in Kürzungen öffentlicher Sozialausgaben besteht. Diese generelle Grundhaltung möchte Kern (so wie Italien, Griechenland, Portugal, Spanien, Frankreich) ändern. Er möchte damit auch der Aufforderung des EZB-Präsidenten Mario Draghi nachkommen, der schon wiederholt gefordert hat, die Aufgabe der Krisenbekämpfung nicht allein der Notenbank zu überlassen, die schon fast alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente ausgeschöpft hat, sondern auch die Fiskalpolitik einzusetzen.

... keine Abstimmung

Wir wissen ja: Die Gründereltern der Eurozone haben sich für eine gemeinsame Geldpolitik entschieden, ausgeführt durch die unabhängige Europäische Zentralbank. Sie haben aber die Fiskalpolitik (Steuern und Staatsausgaben) den einzelnen Mitgliedsländern überlassen. Eine wirkliche Koordinierung, eine tatsächliche optimale Makropolitik, die die (expansive) Geldpolitik mit der Fiskalpolitik auf Eurozonenebene abstimmt, gibt es nicht.

Subjekt der Vorgaben der Kommission und des Ecofin-Rates sind jeweils die einzelnen Länder, nicht aber der gemeinsame Wirtschaftsraum Eurozone. Und: Die Mitgliedsländer werden (unter Sanktionsandrohung) auf die Ideologie der Budgetkonsolidierung verpflichtet, die zum alles überragenden wirtschaftspolitischen Dogma aufgestiegen ist – entgegen aller ökonomischen Vernunft!

Und daher haben wir also gegeneinander wirkende wirtschaftspolitische Instrumente: die Geldpolitik versucht anzukurbeln, die Fiskalpolitik einzusparen. Resultat: kaum Wirtschaftswachstum, stagnierende Einkommen, auseinanderdriftende Leistungsbilanzen (Deutschland hat einen Überschuss von mehr als acht Prozent des BIPs, die peripheren Länder ein Defizit), exzessive Arbeitslosigkeit.

Kommentatoren wie Wirtschaftspolitiker sollten wieder Makroökonomie lernen: Geld- und Fiskalpolitik gehören für den gesamten Euroraum aufeinander abgestimmt, damit endlich die Wirtschaft wieder in Schwung kommt.

Zu einem Zeitpunkt, an dem die Krise von 2008 noch immer nicht überwunden ist und neue Krisenherde drohen, müssen alle Instrumente der Wirtschaftspolitik auf den Euroraum ausgerichtet werden: Geld- und Fiskalpolitik müssen expansiv wirken, Verwerfungen auf der Angebotsseite (Mikroökonomie) beseitigt werden, um aus der Krise herauszukommen. Die Eurozone und die EU brauchen eine auf sie ausgerichteten "optimalen" Mix dieser Politikelemente. Um wieder den legendären Bruno Kreisky zu zitieren: "Lernen Sie Makroökonomie, meine Herren Redakteure!" (Kurt Bayer, 21.9.2016)