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Da kann nicht einmal der Moderator der ehemaligen Kuppelshow, Christian Clerici, helfen: Die SPÖ sucht ein neues Herzblatt – und steht vor einer Richtungsentscheidung.

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Wohin sie sich auch dreht und wendet: Die SPÖ steht vor einer "Herzblatt"-Situation. Wie einst in der beliebten Kuppel-TV-Sendung steht sie derzeit vor einer Wand und hört eine Stimme aus dem Off, die ihr immer dringlicher rät: "Liebe SPÖ, du musst dich entscheiden." Es geht im Grunde darum, ob sie sich dem lässigen Typen mit dem Goldketterl zuwendet, der so schön schiach reden kann – oder dem sensiblen Öko-Freak, der sogar strickt und seine Tomaten im Balkonkisterl züchtet.

Das ist natürlich sehr überspitzt – und Politik hat auch rein gar nichts mit Liebe zu tun. Aber in letzter Konsequenz geht es nicht immer nur um verstandsorientierte Entscheidungen, sondern schon auch um Gefühle.

Gefühl der Zerrissenheit

Bei der (wiederholten) Bezirkswahl in Wien-Leopoldstadt am vergangenen Wochenende dominierte jedenfalls das Gefühl der Zerrissenheit: Der bisherige Bezirksvorsteher liebäugelte in einigen Bereichen durchaus mit FPÖ-Positionen – etwa im Verkehrsbereich oder auch in "Sicherheitsfragen", eng verknüpft mit der "Ausländerfrage". Andere prominente rote Politiker, die im zweiten Wiener Bezirk zu Hause sind, etwa Sonja Wehsely, Andreas Schieder oder Andreas Mailath-Pokorny, stehen für ganz andere Positionen – gerade wenn es sich um die Themen Flüchtlinge oder Migration dreht.

Im Wahlkampf probierte man das Sowohl-als-auch, etwa nach dem Motto: Wir sind eh nett zu Flüchtlingen, wenn sie da sind. Aber wir sind auch irgendwie dafür, dass weniger von ihnen kommen, weil wir uns davon mehr Sicherheit versprechen. Man probierte quasi im Leopoldstädter Laborversuch sowohl den CDU- als auch den CSU-Weg. Das ist schon einigermaßen schizophren, aber noch schizophrener ist es, zu glauben, die Wähler merkten das nicht.

Ablenkung hilft nicht

Die SPÖ insgesamt wird sich entscheiden müssen, und zwar eher früher als später. Da hilft keine Rollenteilung (hier Kern, da Doskozil), da hilft auch keine Ablenkung ("Reden wir lieber über Wirtschaftspolitik"), da hilft auch keine Ausrede ("Wir haben ja eh den Leitantrag, da steht alles klar drin"). Die sozialdemokratische Partei muss eine Auseinandersetzung führen – mit ihren eigenen Mitgliedern und Funktionären.

Dabei geht es nicht nur um die oft strapazierte "Willkommenskultur", sondern auch um gänzlich unterschiedliche Lebensgefühle, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen. Es ist ein Spagat zwischen jenen, die an ein offenes Menschen- und Weltbild glauben, weil sie sich in jeder Hinsicht in ihren Leben so etabliert glauben, dass sie sich nicht fürchten. Und jenen, die – aus welchen Gründen auch immer – meinen, das Leben hätte ihnen mehr geschuldet, als sie bekommen haben, und die Angst haben – um sich, um ihre Kinder, um ihren hart erkämpften Komfort. Flüchtlinge sind Synonym und Prellbock – in Wahrheit geht es um mehr, sozusagen um das ganze Leben.

Klarheit fehlt

Diese beiden Gegenpole und Wählertypen findet man in der SPÖ so stark vertreten, dass man offenbar nicht darüber hinweggehen kann. Das zeigt sich, wie zuletzt, schon bei der kleinsten Bezirkswahl. Christian Kern hat recht damit, wenn er wieder Pflöcke für eine "linke" Politik einschlägt – was soll ein SPÖ-Chef sonst auch tun?

Aber er wird – egal, ob es um Steuerpolitik, Investitionen, Schule und Bildung oder auch Sicherheit geht – immer wieder vor dieser Frage landen: Für wen wird die SPÖ künftig Politik machen, für welches Weltbild wird sie stehen? Solange das nicht klar ist, wird auch den Wählern nicht klar sein, welche Partei die SPÖ eigentlich ist. (21.9.2016, Petra Stuiber)