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Die Schweiz schreibt sich gern Natur pur auf die Fahnen. Doch in Sachen nachhaltiger Wirtschaft ist sie vielen nicht grün genug.

Foto: EPA / Valentin Flauraud

Die Schweiz lebt auf zu großem Fuß: Sie braucht zu viele Ressourcen und belastet die Umwelt zu stark. "Wenn alle Menschen auf der Welt so wie die Schweizer lebten, dann bräuchte es über drei Erden", auf diese griffige Formel bringt es Mathis Wackernagel. Der an der ETH Zürich promovierte Ingenieur hat den Begriff des "ökologischen Fußabdrucks" geprägt.

"Dieser Begriff bezeichnet, wie viel produktive Fläche es braucht, um all unsere materiellen Bedürfnisse zu decken", erklärte Wackernagel kürzlich im Zürcher "Tages-Anzeiger" und verglich unseren heutigen Ressourcenverbrauch mit sorglosem Geldausgeben: "Wir können nicht auf Dauer mehr ausgeben, als wir einnehmen. Das führt zu Schulden oder der Liquidation unseres Vermögens. Und in der Tat bauen wir Naturvermögen ab. Wir leben von der Substanz." Der zu hohe CO2-Ausstoß und die Überfischung der Meere seien genauso Ausdruck davon wie das Sinken des Grundwasserspiegels in vielen Weltregionen oder der Artenschwund.

Weniger Verschwendung

Im Abstimmungskampf um das Volksbegehren "für eine grüne Wirtschaft" spielt der Begriff eine wichtige Rolle. In den Übergangsbestimmungen verlangt das Begehren, dass "bis ins Jahr 2050 der ,ökologische Fußabdruck' der Schweiz so reduziert wird, dass er auf die Weltbevölkerung hochgerechnet eine Erde nicht überschreitet". Anders gesagt, der Ressourcenverbrauch müsste um zwei Drittel gesenkt werden. Das sei machbar, wenn die Schweizer die Energie effizienter einsetzen und weniger oft in den Urlaub fliegen würden und wenn die Wirtschaft ihre Produktionsweise anpasste, sagen die Initiatoren: Grüne, Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Umweltorganisationen. Es brauche nicht Verzicht, sondern bloß weniger Verschwendung.

Das Ziel sei zu ehrgeizig, meint dagegen die Regierung: "Die Initiative will zu viel in zu kurzer Zeit", sagte die christdemokratische Umweltministerin Doris Leuthard. Der Bundesrat wolle den Ressourcenverbrauch schrittweise und auf freiwilliger Basis senken. "Wir müssen grüner werden – aber nicht mit der Holzhammermethode."

Bürgerlicher Widerstand

Auch die bürgerlichen Parteien und großen Wirtschaftsverbände bekämpfen das Volksbegehren. "Insbesondere in den Lebensbereichen Wohnen, Ernährung und Mobilität müssen Unternehmen sowie Konsumenten massive Einschränkungen in Kauf nehmen", befürchtet der Verband Economiesuisse. "Zudem werden Handlungsspielräume von Firmen eingeschränkt und Produkte und Dienstleistungen stark verteuert."

Doch es gibt auch Unternehmen wie Ikea Schweiz und Wirtschaftsvertreter, die das Begehren unterstützen. So etwa der Vizepräsident des Pharmakonzerns Roche, André Hoffmann. "Wir können einfach nicht über weitere Generationen mehr verbrauchen, als unsere Erde hergibt." Es sei eine Herausforderung, die den Standort stärken werde: "Die Schweiz kann es sich nicht leisten, bei der grünen Wende und der Cleantech-Revolution abseits zu stehen. Unsere Universitäten und Firmen sind so gut, dass wir die nötigen Innovationen hervorbringen werden." (Klaus Bonanomi aus Bern, 24.9.2016)