Wien – Finanzminister Hans Jörg Schelling zeigte sich "verwundert", Vizekanzler Reinhold Mitterlehner regelrecht verärgert: Die ÖVP lehnt jene Gesetzesentwürfe, mit denen Sozialminister Alois Stöger die Vereinbarungen vom "Pensionsgipfel" im Frühjahr umzusetzen glaubt, ab. Der sozial demokratische Regierungskollege habe einen "mangelhaften Entwurf" vorgelegt, "den wir in dieser Form natürlich nicht akzeptieren", urteilten Mitterlehner und Schelling am Rande des wöchentlichen Ministerrats am Dienstag.

Was die ÖVP konkret stört? Ein Punkt, den Mitterlehner nennt: Stöger habe einen "weicheren" Referenzpfad in sein Papier geschrieben, außerdem verschleiere der Sozialminister die finanziellen Probleme, indem er die Aus gaben für die Beamtenpensionen und die allgemeinen Pensionen (ASVG) zusammenrechne.

Umstrittener neuer Kostenplan

Es geht dabei um die Kernfrage, wie viel die Pensionen in Zukunft kosten dürfen. Geht es nach Stögers Entwurf, der dem STANDARD vorliegt, sollen sich Regierungen künftig an jener Prognose orientieren, die Österreich im Vorjahr offiziell für den "Ageing Report" der EU gemeldet hat. Demnach sollen die Ausgaben aus Steuergeld für alle Pensionen – inklusive Beamten – von 6,02 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2017 auf 6,7 Prozent im Jahr 2035 steigen, um bis 2060 wieder auf 6,36 Prozent zu sinken (siehe Grafik).

Laut Stögers Vorschlag soll die Pensionskommission regelmäßig überprüfen, ob dieser Referenzpfad eingehalten wird; werden die Kosten im Schnitt der jeweiligen Analyseperiode um 0,5 Prozentpunkte oder mehr überschritten, hat sie Reformvorschläge zu erstatten. Die Regierung muss laut Entwurf dann innerhalb einer Frist einen Plan vorlegen, wie sie diese umzusetzen gedenkt – oder alternative Maßnahmen präsentieren.

Einen Referenzpfad gab es schon bisher, und zwar aus der Zeit, als die ÖVP gemeinsam mit der FPÖ regierte. Der in SP-Kreisen so genannte "Schüssel-Pfad" wies jedoch nur die Kosten der ASVG-Pensionen aus: Mittelfristig sollten diese steigen, nach 2040 aber wieder sinken. Stögers Szenario hingegen verweist auf starke Einsparungen aus den eingeleiteten Reformen der Beamtenpensionen, sieht für den ASVG-Bereich aber ein starkes Plus von derzeit drei Prozent auf 5,6 Prozent des BIPs im Jahr 2060 vor – und genau das stört die ÖVP.

Negative Prognose als Soll-Wert

Stöger habe die "negativen" Kostenprognosen einfach als "Soll-Wert" übernommen, kritisiert Mitterlehner, der ebenso am alten Referenzpfad festhalten möchte wie Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer: Alles andere vermindere den Druck, nötige Reformen durchzuziehen.

Nach Provokation sieht in schwarzen Augen ein Detail am Rande aus: In der nun verkleinerten Pensionskommission wären nach Stögers Plänen ÖGB und Ar beiterkammer mit je zwei Vertretern vertreten, die "schwarzen" Sozialpartner Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer jedoch nur mit einem. Auch sollen Vertreter zwei er "roter" Ressorts, konkret von Sozialressort und Kanzleramt, im Gremium sitzen und nur einer aus einem schwarzen Ressort, dem Finanzministerium. Die Passage fällt allerdings wohl in die Kategorie Verhandlungsmasse. In SP-Kreisen heißt es: Man werde sich nicht auf alles versteifen, was im Papier stehe.

Kein Bonus für längeres Arbeiten

Überdies vermisst Mitterlehner den geplanten Aufschubbonus für Personen, die über das gesetzliche Pensionsalter hinaus arbeiten: Wer länger als bis 65 Jahre (Männer) und 60 Jahre (Frauen) im Beruf bleibt, aber die Pension nebenbei nicht in Anspruch nimmt, dem sollte laut Vereinbarung drei Jahre lang die Hälfte des Pensionsversicherungsbeitrags erlassen werden, auch der Dienstgeber hätte sich 50 Prozent der Beiträge erspart. Dieses Vorhaben fehlt in Stögers Entwürfen nun gänzlich.

Für die Zuverdienstbeschränkungen ausgesprochen hatte sich die Arbeiterkammer, dennoch beurteilt Direktor Christoph Klein den Verzicht gelassen: "Wenn die Regierung glaubt, ohne dieser Maßnahme Auslangen zu finden, dann verstehen wir das."

Höhere Mindestpension

Auslassungen sieht die ÖVP auch im Abschnitt zu jenen Rehabilitationsmaßnahmen, die Frühpensionen verhindern sollen. Sehr wohl enthalten ist dort allerdings der Rechtsanspruch auf Rehabilitation. Diese soll dann gebühren, wenn auf Grund des Gesundheitszustandes einer Person anzunehmen ist, dass sie die Voraussetzungen für die Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitspension (in absehbarer Zeit) erfüllen wird oder sogar schon aktuell erfüllt und darüber hinaus wahrscheinlich ist, dass durch die Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation Invalidität vermieden beziehungsweise beseitigt werden kann. Eine Qualifizierung "nach unten" ist nur mit Zustimmung des Betroffenen möglich.

Verbesserungen vorgesehen sind für die Bezieher von Mindestpensionen, der so genannten Ausgleichszulage. Liegen 30 Beitragsjahre vor, sollen gemäß den Plänen Alleinstehende mindestens 1.000 Euro und Paare 1.500 Euro erhalten. Derzeit liegt die Ausgleichszulage bei 882,78 Euro für Alleinstehende und 1.323,58 Euro für Paare. Von der Aufstockung profitieren dürften vor allem Personen, die in ihrer Erwerbskarriere viele Teilzeit-Perioden aufweisen.

Ausgeweitet werden soll das Pensionssplitting. Derzeit ist es nur bis zum vierten Lebensjahr des Kindes (bei Mehrlingen bis zum sechsten) möglich, bis zu 50 Prozent der eigenen Pensionsansprüche dem daheim bleibenden Elternteil zu überlassen. Diese Möglichkeit soll künftig bis zum siebenten Lebensjahr bestehen. Der Antrag auf Übertragung soll bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres des Kindes, also drei Jahre länger als nach dem geltenden Recht, gestellt werden können. (Gerald John, APA, 27.9.2016)