Oft ist gut gemeint das Gegenteil von gut. Zum Beispiel dann, wenn ein Verfassungsrichter an die Öffentlichkeit geht, um angesichts wachsender Kritik an einem historischen VfGH-Urteil Stellung dazu zu nehmen. Johannes Schnizer verteidigte die Entscheidung des Höchstgerichts, den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl aufzuheben, in Interviews mit dem "Falter" und in der "ZiB 2". Doch mit seiner Offenheit schuf er neue Angriffsflächen für jene, die den VfGH diskreditieren wollen.

Denn ohne erkennbare Not wirft er der FPÖ Schwerwiegendes vor: Sie habe schon vor dem zweiten Wahlgang von Rechtswidrigkeiten beim Ablauf der Wahl gewusst – aber geschwiegen, um die Wahl erst im Fall einer Niederlage ihres Kandidaten Norbert Hofer anzufechten. Die Anfechtungsschrift der Freiheitlichen sei zu umfangreich gewesen, um sie innerhalb nur einer Woche vorzubereiten, argumentiert Schnizer.

Eine Vorlage für die FPÖ

Damit serviert der Verfassungsrichter der FPÖ eine Vorlage für die weitere Diskreditierung demokratischer Institutionen. Schon die Schlampereien beim zweiten Wahlgang nutzt die Partei ja seit Monaten, um gezielt Zweifel an den zentralen staatlichen Einrichtungen zu säen – wobei Opfer natürlich stets sie selbst, Täter das politische Establishment sei.

So plausibel Schnizers Vorwurf auch sein mag: Der Richter hat sich damit gegen eine der Parteien in diesem so bedeutenden Verfahren gestellt – und das nach seinem Urteil, aber bevor die angeordnete Wahlwiederholung umgesetzt wurde.

Und dann ist da noch die Möglichkeit einer weiteren Anfechtung. Die FPÖ würde keine Sekunde zögern, die politische Unabhängigkeit des gesamten Gerichts infrage zu stellen. Damit wäre nicht nur das Vertrauen in demokratische Wahlen beschädigt, sondern auch jenes in die Entscheidungen des VfGH. Das wird nicht besser, wenn Schnizer freimütig bekanntgibt, Alexander Van der Bellen gewählt zu haben.

Unabhängigkeit nach außen hin zeigen

Natürlich ist es kein Geheimnis, aus welcher politischen Ecke Schnizer kommt – er war SPÖ-Mitarbeiter und Kabinettschef vom damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Dass er die Entscheidung im Sinne der FPÖ mitträgt, zeigt auch, dass er sich in seiner Arbeit nur der Verfassung und nicht seiner eigenen politischen Einstellung verpflichtet fühlt.

Doch auch wenn Höchstrichter bei ihrer Bestellung politisch zuordenbar sind: Danach sollten sie die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit nicht nur verinnerlichen, sondern auch nach außen hin zeigen. Diesem Ideal hat Schnizer mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit nicht entsprochen. (Sebastian Fellner, 28.9.2016)