Sylvia Gobbel in einem Kleid von Miu Miu, Stiefeletten, Tasche & Ohrringen von Dior. Mantel: Christian Wijnants. Fotografiert von Stefan Armbruster.

Foto: Stefan Armbruster

Ihre Modelagentur ist ganz in der Nähe: Sylvia Gobbel (55) auf einer Parkbank der Place des Vosges im Pariser Marais. Sie trägt einen Overall von Max Mara, eine Bluse von Fendi, das Sakko ist von Maison Margiela, die Tasche von Chanel, die Ohrringe sind von Dior und die Schuhe von Prada.

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Der Mantel ist von Max Mara, das Kleid von Prada, die Sonnenbrille von Smith, die Ohrringe sind von Dior.

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Sylvia Gobbel in Top, Jacke und Hose von Calvin Klein Collection, Tasche: Fendi, Schuhe: Prada.

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Vor einem Eisengitter in der Rue Turenne: Gobbel in einem Trenchcoat von Chanel, das Kleid ist von Fendi, die Ohrringe sind von Dior.

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Auf eine Zigarette ins Le Petit Marché in der Rue de Béarn: Sylvia Gobbel in einem Kleid von Miu Miu, die Stiefeletten, die Tasche und die Ohrringe sind von Dior, das Sakko ist von Christian Wijnants. Strümpfe: Falke.

Foto: Stefan Armbruster

In den Gassen des Pariser Marais: Der Mantel ist von Christian Wijnants, das Bustierkleid von A. F. Vandevorst, die Brille von Givenchy, die Schuhe sind von Prada.

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Helmut Newton im Jahr 2000 vor einem seiner Nacktbilder für die französische "Vogue". Ganz rechts Model Sylvia Gobbel.

Foto: Reuters

STANDARD: Sie haben vor einigen Jahren Ihre Modelkarriere wiederaufgenommen. Da waren Sie schon beinahe 50. Warum das?

Sylvia Gobbel: Persönlich habe ich gar nicht daran gedacht, wieder einzusteigen. Eines Tages erzählte mir ein guter Bekannter, er ist Fotoagent, von einer neu eröffneten Agentur speziell für ältere Models. Die waren sehr an mir interessiert, und so fing ich an, hin und wieder zu modeln. Als 2012 die große Helmut-Newton-Retrospektive in Paris stattfand, bekam ich viel Publicity. Damit kam meine Karriere wieder so richtig in Schwung.

STANDARD: Ab wann gilt man in der Mode als älteres Model?

Gobbel: Ab 40 wird man als Senior-Model bezeichnet. Ausnahmen sind die sogenannten Supermodels, die heute alle über 40 sind. Sie haben nie aufgehört zu modeln, ob sie alt oder jung sind, ist egal, sie spielen in einer eigenen Kategorie.

STANDARD: Ist der Markt für ältere Models vergleichbar mit jenem für jüngere Models?

Gobbel: Es gibt viel weniger ältere Models, ganz einfach weil der Fokus der Mode auf jüngeren Frauen liegt. Der Markt hat sich aber verändert, die Bevölkerung wird älter, mit 40 oder 50 haben viele Frauen wieder ihre Freiheit gewonnen, die Kinder sind groß, man arbeitet wieder und verfügt über ein gutes Einkommen. Und dieses Geld möchte man ausgeben. Diese Frauen wollen nicht von 20-Jährigen in der Werbung angesprochen werden, sondern von Gleichaltrigen.

STANDARD: Der Boom älterer Models ist ein junges Phänomen ...

Gobbel: Dieser Boom ist den Supermodels zu verdanken. Sie haben gezeigt, dass man auch in einem fortgeschrittenen Alter noch super ausschauen und sich super verkaufen lassen kann. Also fing man an, auch mit älteren Models zu arbeiten, die nicht so bekannt, dafür aber nicht so teuer sind. In Paris und London kann man diesen Trend seit etwa zehn Jahren beobachten, mittlerweile laufen ältere Models auch bei der einen oder anderen Modeschau.

STANDARD: Die 80-jährige Joan Didion als Werbegesicht für Celine, die 71-jährige Joni Mitchell für Saint Laurent, die 79-jährige Vanessa Redgrave für Gucci: Was geht Ihnen angesichts dieser Werbegesichter durch den Kopf?

Gobbel: Dass ich gerne weiße Haare hätte! Ältere Models arbeiten am besten, wenn sie weiße oder graue Haare haben. Ich habe also noch Zukunft (lacht). Aber im Ernst: Ich finde es fantastisch, dass sich das Spektrum an Models und Werbegesichtern verbreitert hat.

STANDARD: Bei jüngeren Models gibt es immer einen gewissen Typus, der besonders gefragt ist. Welche Trends gibt es bei älteren Models?

Gobbel: In Frankreich verkaufen sich Models mit silbernen Haaren gut, allerdings müssen sie ein noch junges Gesicht haben. Ich selbst habe keine grauen Haare, ich könnte sicher weitaus höhere Gagen verlangen, wenn ich welche hätte. Ich selbst falle eher in den Typus "sophisticated".

STANDARD: Als ältere Frau hat man meist nicht mehr den Körper, den man in seiner Jugend hatte. Das Schlankheitsgebot scheint aber auch für ältere Models zu gelten.

Gobbel: Ja, man kann auch im Alter noch schlank und sportlich sein! Fast alle meine Kolleginnen haben Kleidergröße 36. Wenn man in der High Fashion arbeiten will, dann muss man auch in die High Fashion reinpassen. Bei kommerzielleren Kampagnen werden mitunter auch Models genommen, die etwas runder sind. Aber das sind zwei verschiedene Gruppen.

STANDARD: Warum kommt die Mode vom Diktat schlanker Frauen nicht los, nicht einmal bei älteren Models?

Gobbel: Man darf nicht vergessen, dass ältere Models meist auch schon in jungen Jahren Models waren. Sie sind auch im Alter meist noch schlank. Wichtig finde ich, dass junge Frauen dieses Ideal nicht als Vorbild sehen. Jeder hat seinen eigenen Körper, und das ist auch gut so. Designer verwenden große und schlanke Models in erster Linie, weil die Mode auf dem Laufsteg an ihnen besser aussieht.

STANDARD: Damit wird natürlich auch ein Traum verkauft.

Gobbel: Natürlich. Allerdings ist niemand perfekt.

STANDARD: Sie haben 1980 angefangen zu modeln. Damals waren Sie 19. Haben Sie damals dem herrschenden Modeltyp entsprochen?

Gobbel: Überhaupt nicht. Damals war das ideale Model sehr natürlich, sportlich, blond. Es gab viele Schwedinnen und Amerikanerinnen im Business. Ich war zu "sophisticated", sah ein bisschen wie eine Lady aus, nicht wie ein Teenager. Dank Helmut Newton konnte ich mich aber gut durchsetzen.

STANDARD: Newton war ein Superstar und hat nur mit einem ganz bestimmten Typus von Frauen gearbeitet.

Gobbel: Er mochte keine "nice girls", er wollte eine starke, richtige Frau. Charakter war wichtig. Man musste auch ohne Make-up gut aussehen. Diesem Bild habe ich entsprochen. Newton-Models waren damals nicht modern, der Grund, warum man von Fotografen gebucht wurde, lag ausschließlich darin, dass einen zuvor Newton gebucht hatte.

STANDARD: Sie sind im Wienerwald aufgewachsen. Wie sind Sie zu Helmut Newton gekommen beziehungsweise er zu Ihnen?

Gobbel: Eine Modelagentin, die gerade ihre Agentur eröffnet hatte, hat mich in einer Wiener Straßenbahn angesprochen. Ich war damals Studentin und froh, etwas dazuzuverdienen. Ein Scout wurde auf mich aufmerksam und hat mich nach Paris geholt. Der Plan war, die Sommerferien dort zu verbringen. Zwei Wochen nach meiner Ankunft hatte ich ein Casting mit Helmut Newton, und dann bin ich geblieben. Und ich bin noch immer da (lacht).

STANDARD: Welche Bedeutung hatte Newton für Ihre Karriere?

Gobbel: Ich verdanke ihm alles. Für ein Jahr hatte er eine exklusive Option auf mich, auch wenn es andere Bookings gab, hatte er Vorrang. Nachdem ich sehr viel mit ihm arbeitete, wurde ich sofort sehr bekannt.

STANDARD: Sie waren für einige Zeit sein Lieblingsmodel. Worin bestand die spezielle Chemie zwischen Ihnen beiden?

Gobbel: Wir sprachen beide dieselbe Sprache, aber auch wenn er nichts sagte, wusste ich sofort, was er wollte. Es hat sofort funktioniert zwischen uns beiden.

STANDARD: Newton ist für seine freizügigen Fotos bekannt. Hatten Sie kein Problem mit Nacktaufnahmen?

Gobbel: Ich kannte seine Fotos, für mich war klar, dass er keinen sexistischen Blick auf Frauen wirft. Newton wollte mit seinen Nacktfotos starke Frauen zeigen. Das erste Mal, dass ich mit ihm arbeitete, war für eine Haute-Couture-Strecke für die französische Vogue. Wir waren zu viert, auf der einen Seite wurden wir in Couture, auf der anderen in derselben Position nackt abgelichtet. Was für eine Aufregung! Newton ging es darum, zu zeigen, dass eine starke Frau keine Couture braucht. Für mich war Newton ein Feminist.

STANDARD: War das kein Problem für Ihre Familie, Sie in Magazinen nackt zu sehen?

Gobbel: Nein, meine Familie war da sehr offen. Und das waren ja keine Sexfotos, das war die französische Vogue! Es gibt kein Newton-Nacktfoto von mir, auf dem ich in einer erotischen Weise dargestellt bin. Unser Verhältnis war immer äußerst professionell. Meist war auch seine Frau June bei den Shootings dabei. Er besprach sich mit ihr, sie war seine engste Vertraute, da gab es auch keine Eifersucht von ihrer Seite.

STANDARD: Sie waren dann auch auf dem Cover seines berühmten Buches "Big Nudes" zu sehen ...

Gobbel: Ja, ich posiere auf dem Foto nackt in High Heels. Auf dem Cover bin ich aber nur von der Hüfte aufwärts zu sehen.

STANDARD: Ist das das wichtigste Foto Ihrer Karriere?

Gobbel: Nein, es gibt ein sehr berühmtes Foto, auf dem ich nackt vor dem Spiegel stehe, Helmut Newton hinter mir fotografierend im Trenchcoat und seine Frau June schaut zu. Diese Dreierkonstellation ist ganz besonders. Das Foto wird am Kunstmarkt hoch gehandelt.

STANDARD: Als Sie Newton kennenlernten, war er schon über sechzig. Wie lange hielt Ihre Arbeitsbeziehung?

Gobbel: Die ganzen 1980er über. Als ich schwanger wurde, habe ich von einem Tag auf den anderen aufgehört. Nach zehn Jahren hatte ich das Gefühl, ich habe alles gemacht, was man machen kann. Es konnte nur mehr langweilig werden.

STANDARD: Ende der Achtziger kam es dann zum Aufstieg der Models, die heute als Supermodels gelten.

Gobbel: Ich glaube, unsere Generation hat diese Entwicklung vorbereitet. Die Agenten haben irgendwann kapiert, dass man Models auch vermarkten kann. Viele Models haben auch in meiner Zeit schon exzessive Leben geführt, waren mit Hollywood- oder Rockstars zusammen. Nur wurde das damals noch nicht genutzt, um die Models besser zu verkaufen.

STANDARD: Sie hatten dann mit der Mode lange gar nichts am Hut. Was ging Ihnen durch den Kopf, als eine komplett neue Modelgeneration nachkam, Frauen wie Kate Moss zum Beispiel?

Gobbel: Sie war eine große Ausnahme. Meine eigene Agentur, MGM Management, hat sie damals abgelehnt, weil sie zu klein war. Sie dürfen eines nicht vergessen: Die Mode muss sich verändern, wenn wir heute einen bestimmten Frauentyp haben, dann wollen wir morgen einen ganz anderen. Die große Veränderung gegenüber damals würde ich darin verorten, dass Mode ein Business geworden ist. Designer waren zu meiner Zeit unabhängig und kreativ, heute werden sie von Luxuskonglomeraten dirigiert. Die Mode ist eine Fabrik geworden. Und wer arbeitet in einer Fabrik? Roboter!

STANDARD: Sie meinen damit auch die Models?

Gobbel: Ja, sie sind heute alle gleich, der Charakter fehlt. Meine zwei Töchter sind beide über 1,80 und schauen toll aus. Ich bin angesichts der zuvor skizzierten Entwicklungen froh, dass sie studiert haben und nicht auch Models geworden sind.

STANDARD: Wie, glauben Sie, wird Ihre eigene Modelkarriere weitergehen?

Gobbel: In diesem Job kann man nichts planen. Je älter man derzeit ist, umso mehr Aufträge bekommt man. Insofern bin ich guter Dinge. Aber vielleicht ist in fünf Jahren alles auch wieder ganz anders. (Stephan Hilpold, RONDO, 7.10.2016)