Wien – Selbstwertgefühl bemisst sich nach Taten. Welcher Vater träumt nicht heimlich davon, den Helden aus jenen Büchern nahezukommen, aus denen er seinem Kind beim Schlafengehen vorliest? Costis (Toma Cuzin) erster Versuch in diese Richtung scheitert. Als er seinen Sohn zu spät vom Kindergarten abholt, versucht er ihm dies damit zu erklären, dass er sich wie Robin Hood versteckt gehalten hat. Der kleine Bub zeigt sich von der Ausrede des Vaters alles andere als überzeugt.

Was verbirgt sich in der rostigen Kiste, die im Garten des Urgroßvaters lag? Toma Cuzin (li.) und Adrian Purcarescu in Corneliu Porumboius Komödie "Der Schatz".
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Der zweite Versuch ist das unzeitgemäße Manöver, um das es im neuen Film von Corneliu Porumboiu geht. Wäre Der Schatz ein Western, würde sich das Geschehen vermutlich als Abenteuer entfalten. Doch der Film spielt im Bukarest von heute, und Costi ist nur ein Angestellter, der mit seinem mittelmäßigen Gehalt eine Familie zu ernähren versucht. Jemand wie er geht nicht auf Schatzsuche. Deshalb ist Der Schatz näher an der Farce. Die Motive seines Helden wirft er aber nicht über Bord. Vielleicht lassen sich gegenwärtige Kapitalverteilungen gar nicht anders behandeln. Sie benötigen die Fiktion, um sichtbar zu werden, selbst wenn diese etwas Lächerliches von einem verlangt.

Porumboiu ist vermutlich der wendigste aller Regisseure der sogenannten neuen Welle des rumänischen Kinos. Er dreht auf den ersten Blick einfache Filme, in denen sich die Positionen seiner Figuren erst nach und nach herausschälen. Analog dazu treten historische Tiefenschichten des Landes hervor, die sich auch in der Widerspenstigkeit der Menschen spiegeln, auf die Gegenwart einzugehen. Ob ein Polizist in Police, Adjective, der an seiner Observierungsaufgabe zweifelt, oder ein Regisseur in When Evening Falls On Bucharest, Or Metabolism, dem es bei einer Nacktszene an Objektivität mangelt, stets gerät das eigentliche Anliegen der Filme zum Hindernis oder Problem. Das ist auch in Der Schatz zuerst so – und dann doch wieder ein wenig anders.

Filmgarten

Der Ausgangspunkt von Der Schatz ist dokumentarisch. Adrian, Costis Nachbar, wird vom Regisseur Adrian Purcarescu verkörpert, der gegenüber Porumboiu tatsächlich von einem Schatz gesprochen hat, der im Garten seines Urgroßvaters vergraben liegt. Er gab damit den entscheidenden Anstoß. Im Film überzeugt Adrian nun aus Geldnot Costi, mit ihm danach zu suchen – den möglichen Gewinn wollen sie später aufteilen.

Feiner Sinn für Ironie

Sie wissen allerdings weder, wo sich der Schatz genau befindet, noch, woraus er besteht. Diese Ungewissheit lässt das Vorhaben noch absurder erscheinen, als es ohnehin schon ist. Das hysterische Gefiepse des Metalldetektors, der mitsamt eines grummeligen Experten auf dem Schwarzmarkt gefunden wurde, trägt auch nicht zu Goldfieberstimmung bei. Porumboius feines Gespür für Ironie zeigt sich auf minimalem Terrain. Die Mitwirkenden geraten sich umso mehr in die Haare, je länger der Fund ausbleibt.

Zugleich belässt Porumboiu es nicht bei dem Blick auf die Anstrengungen der Männer, die nach Nebeneinkünften schaufeln. Das Loch, welches sich gleich einem Grab im Garten abzuzeichnen beginnt, legt auch die Versäumnisse eines Landes im Umgang mit Besitztum und Kulturerbe frei. Porumboiu gerät es zum Mittel, sich mit trockenem Humor über Autoritäten und ökonomische Abhängigkeiten zu amüsieren.

Aber noch mehr interessiert ihn die Frage, wie man diesen Kreislauf durchbricht – und sei es nur für eine heroische Geste, die dem eigenen Kind gilt. Die Antwort gibt dieses kleine Meisterwerk in einem fantastischen letzten Coup.

Der Schatz ist übrigens der erste Film, den der neu gegründete Verleih Filmgarten ins Kino bringt. Ein treffender Name – bitte mehr davon! (Dominik Kamalzadeh, 5.10.2016)