Ein Leckerbissen für Freunde des eleganten Florettstichs ist jenes Schmähgedicht, das Jan Böhmermann Ende März zum Besten gab, ja nun wirklich nicht. Vielmehr schwang der ZDF-Moderator und Satiriker die derbe Keule, als er sich den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan vorknöpfte.

Da ging es um die angeblich bemitleidenswerte Ausstattung des Staatspräsidenten in der männlichen Intimzone und gleichzeitig um ein sehr privates Verhältnis mit einhundert Schafen. Das kann man lustig finden, aber man muss nicht. Doch das Wichtige dabei war: Man darf in Deutschland, anders als in der Türkei, derlei "Gedichte" zum Besten geben, weil Satire – wie auch Karikatur – hohen Stellenwert hat und von der Kunstfreiheit gedeckt ist.

Dass Erdoğan daraus eine Staatsaffäre machen wollte, verwundert nicht weiter. Dass die Staatsanwaltschaft nicht mitmachte, ebenso wenig. Das war auch das Kalkül von Angela Merkel: Wenn sie dem Ersuchen des erbosten Türken nach Strafverfolgung stattgibt, wird die deutsche Justiz schon wissen, was daraus zu machen ist.

Die nun erfolgte Einstellung der Ermittlungen ist schön für Böhmermann und erst recht ein Sieg für die Meinungsfreiheit. Und sie sollte die Politik an etwas erinnern, was vor kurzem noch mit Verve diskutiert, aber bisher nicht umgesetzt wurde: die Abschaffung des unsäglichen und unzeitgemäßen Strafparagrafen zur Majestätsbeleidigung. (Birgit Baumann, 4.10.2016)