Innenminister Wolfgang Sobotka ist an sich für die Sicherheit zuständig, aufs Gegenteil versteht er sich aber auch ganz gut. Zum Mittel der Verunsicherung greift der ÖVP-Politiker in einer von ihm mutwillig vom Zaun gebrochenen Debatte. Tschetschenen, Afghanen und Afrikaner würden "sofort" nach Österreich aufbrechen, warnt Sobotka, wenn sich der Staat gegenüber Asylwerbern von seiner großzügigen Seite zeige.

Für den potenziellen Auslöser dieses Ansturms hält der Ressortchef einen von den neun Bundesländern gefassten Plan. Gemeinden und andere Institutionen sollen demnach die Möglichkeit bekommen, Asylwerber in größerem Ausmaß als bisher fürs Rasenmähen, Radwegsäubern und andere "gemeinnützige" Tätigkeiten einzusetzen. Als Lohn sind fünf Euro pro Stunde vorgesehen, also genauso viel, wie schon seit mehr als zehn Jahren gezahlt wird. Trotzdem verbreitet Sobotka die Kunde, dass derartige Ankündigungen in der Schlepperszene "wie Lauffeuer" die Runde machten und neue Wirtschaftsflüchtlinge zum Aufbruch anstifteten: Schließlich verdiene ein Polizist in Afghanistan nur 50 Cent pro Stunde.

Man muss nicht das Lohnniveau am Hindukusch kennen, um das Beispiel für weit hergeholt zu halten. Ja, das Internet bringt die weite Welt auch ins zentralasiatische Dorf, aber so viel Detailwissen über den Leistungskatalog des österreichischen Staates hat sich in den Krisenregionen wohl kaum breitgemacht. Ökonomisch motivierte Migranten erhoffen sich in Europa natürlich bessere Verdienstmöglichkeiten, doch das Angebot eines auf das Asylverfahren und auf zehn Wochenstunden beschränkten Pseudojobs ist sicher nicht der große "Pull-Faktor" – und ruchlose Schlepper werden so oder so das Blaue vom Himmel versprechen, egal, was Österreichs Politiker konkret beschließen.

Studien widersprechen Sobotkas Argumentation: Unter all den Motiven, aufgrund deren Flüchtlinge und Migranten ein bestimmtes Zielland anpeilen, so der Tenor, sei die Höhe der staatlichen Leistungen alles andere als ausschlaggebend. Doch dieser Befund passt nicht ins gängige Vorurteil – und damit auch nicht in jene Generallinie, mit der die Bundes-ÖVP ausländerverdrossene Bürger offenbar von der FPÖ zurückzulocken glaubt. Erst die Mindestsicherung, nun die Gemeindejobs: Flüchtlinge sollen kurzgehalten werden, wo es nur geht. Was kommt als Nächstes? Eingeschränkte Arztbesuche für Asylwerber? Es ist schließlich ja nicht ausgeschlossen, dass auch die tolle Gesundheitsversorgung Einwanderungswillige anlockt.

Dabei ist das Projekt, dem Sobotka nun eine ungustiöse Schlagseite verpasst, an sich sinnvoll. Asylwerbern täte es gut, wenn sie – im Idealfall gekoppelt an eine Ausbildung – im Dienst der Kommunen mehr leisten dürften, als das Gesetz derzeit erlaubt (sofern kein regulärer Job ersetzt wird). Wer monate- oder gar jahrelang nur untätig herumsitzt, verliert ebenso Motivation wie Arbeitsfähigkeit und sucht sich weniger gemeinnützige – im Extremfall kriminelle – Beschäftigungen. So mancher Asylwerber lechzt regelrecht danach, endlich etwas tun zu können.

Bund, Länder und Gemeinden täten gut daran, die Ambitionierten mit einem fairen Deal zu motivieren, statt sie mit Dumping zu frustrieren. Fordert der Staat "Integration durch Leistung" ein, soll er auch zeigen, dass ihm diese etwas wert ist – und zwar mehr als einen schäbigen Hungerlohn. (Gerald John, 4.10.2016)