Zeitreise in ein Anwesen, in dem Figuren mit besonderen Fähigkeit Unterschlupf finden: Tim Burtons neuer Film "Die Insel der besonderen Kinder" ist wie immer auch ausstatterisch gelungen.

Foto: Centfox

Wien – Innerhalb Hollywoods sich ein eigenes Territorium zu errichten und über Jahrzehnte kontinuierlich zu bearbeiten, das gelingt nur wenigen Filmemachern. Dazu bedarf es nicht nur eines unverwechselbaren Stils, wie ihn etwa die Coen-Brüder oder Steven Spielberg pflegen, oder einer elaborierten Blockbuster-Erzähltechnik, wie sie Christopher Nolan praktiziert, sondern – und das zählt in Zeiten sich schnell ändernder Strömungen am meisten – eine ästhetische Berechenbarkeit. Denn selbstverständlich geht es auf dem globalen Marktplatz Hollywood um Distinktion. Die Kunst des im Studiosystem aufgehobenen Autorenfilmers besteht darin, seinem Werk stets eine neue Facette hinzuzufügen, ohne sich und damit seinem Publikum untreu zu werden.

Auf dieser Spielwiese treibt sich nun bereits seit über dreißig Jahren Tim Burton erfolgreich herum, dem es gelungen ist, nach manchem Stolperstein – wie den Batman-Verfilmungen Anfang der 1990er – wieder auf die Beine zu kommen. Burton hat sich mit einer verlässlichen Entourage, etwa Johnny Depp oder Komponist Danny Elfman, sein eigenes Universum errichtet.

Wahrheitssuche auf der Insel

Die Extravaganz der Figuren, die Vorliebe für Masken und Schminke, die bizarren Horrorkomödien, die fast immer ins Absurde abdriften: Burton genügt es, mit jedem Film gerade noch einmal die Tonlage zu wechseln. Womit Die Insel der besonderen Kinder, basierend auf dem ersten Band von Ransom Riggs Bestseller Miss Peregrine's Home for Peculiar Children, eigentlich ausreichend beschrieben wäre. Es ist ein Universum des nicht avancierten, aber umso schöner anzusehenden Fantastischen.

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Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass dieser Stoff, der die zurzeit populären Themen diverser Jugendromane und Science-Fiction-Verfilmungen abschöpft und den nicht zufällig X-Men-Autorin Jane Goldman fürs Kino adaptiert hat, in Burtons Regiehände fiel. Schon der 16-jährige Jacob (Asa Butterfield), der wiederholt der Geschichte seines Großvaters (Terence Stamp) lauscht, der im Zweiten Weltkrieg auf der Flucht vor den Nazis auf einer englischen Insel Unterschlupf in einem Waisenhaus fand, ist ein typischer Held Burtons, beseelt von einem Hang zum Romantischen und einer Neugierde fürs Wundersame. Als der Großvater von einem monströsen Wesen getötet wird, das nur Jacob sehen konnte, wird dessen Besuch auf der Insel zu einer Wahrheitssuche.

Wiederauferstehung durch Zeitschleife

Ein einfacher narrativer Trick in Form einer Zeitschleife genügt, damit das zur Ruine verkommene Anwesen als Parallelwelt wiederaufersteht und mit Figuren mit besonderen Fähigkeiten belebt wird – allen voran mit der charismatischen Eva Green als Heimleiterin Miss Peregrine. Doch während Burton lange Zeit mit diesem Atout im Ärmel recht sparsam umgeht (um mit diesem Trumpf am Ende natürlich erst recht alles auf eine Karte zu setzen) und den Schauplatz als gefährdete Märchenwelt illustriert, geht ihm der politische Subtext der Geschichte zunehmend verloren. Die doppelte Bedrohung durch die Nazis und jene durch die grausigen Hollowgasts, die es auf Peregrines kleine Schützlinge abgesehen haben, ist letztlich nicht mehr als ein guter Grund für die Selbstermächtigung des Außenseiters.

Die Insel der besonderen Kinder fügt sich passgenau in das Burton'sche Universum, um dieses um einen weiteren Flecken zu erweitern. Das Besondere wird man dort allerdings diesmal nicht finden. (Michael Pekler, 6.10.2016)