Die äußeren Hürden stehen sichtbar da – aber wie groß sind die inneren?

Es gilt, bildhaft gesprochen, sich von sich selbst zu lösen, um das für jeden Einzelnen beruflich zur Lösung Anstehende lösbarer zu machen. Also zu erkennen, so der Osnabrücker Psychotherapeut und klinische Psychologe Jürgen Kriz, "dass scheinbar allzu Vertrautes den Blick für das aktuelle Geschehen und die Erfahrungsmöglichkeiten verstellen kann.

Foto: APA

Der verunsichernde Druck des Geschehens lässt sich nicht wegdiskutieren. Auch bestehen kaum Zweifel an dessen weiterer Zunahme. Da die Beeinflussung der die berufliche Umwelt prägenden äußeren Umstände kaum möglich ist, bleibt als Hilfe verheißende entlastende Möglichkeit nur die Änderung der Einstellung dazu. Und das setzt die Überprüfung des innerpersönlichen Umgangs mit dem täglich zu Bewältigenden voraus. Was konkret heißt, Benedikt Weibels Rat Folge zu leisten, die Aufmerksamkeit auf die eigene mentale Verfassung zu lenken und künftighin mehr Sorgfalt auf die eigenen Denkabläufe zu verwenden.

Denken als Ursache

Diese Sorgfalt ist für den Wiener Mentalcoach Ferry Fischer der stabilisierende Faktor im Instabilen: "Ob Sie innerlich stabil und erfolgreich im Leben stehen oder sich von den Ereignissen hin und her gezerrt fühlen, bestimmt sich durch das, was Sie denken. Was Sie denken, sind Sie. Und was Sie sind, strahlen Sie aus. Das Denken ist die Ursache und Ihr Leben, Ihr Körper, Ihr Erfolg ist die Wirkung. Verändern wir die Ursache, verändert sich die Wirkung."

Was Fischer zu dem Schluss führt: "Und weil wir mit unserem Denken und unserer Einstellung die Ursache für unser Leben setzen, versetzt uns das in die absolute Macht, aber auch in die Verantwortung, innerhalb des Schicksals, der Gene, des Rahmens, in den wir hineingeboren wurden, dieses für unseren beruflichen Erfolg so wichtige Denken zu gestalten. Die Einstellung zu uns selbst und zu anderen bestimmt das Verhalten, das Verhalten bewirkt Reaktionen und Reaktionen bestätigen die Einstellung; wieder sind wir selbst der Anfang und das Ende in unserem Gestalten – egal ob Teufels- oder Engelskreis."

Aufgeregtheit trägt nichts bei

Worauf zwei aus unterschiedlicher Perspektive im Management Erfahrene drängen, ist im Feuer der Jahrtausende gehärtetes philosophisches Wissen. "Es sind nicht die Dinge, die uns beruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben (...). Nicht die äußeren Verhältnisse sind es, die uns das Leben erschweren, sondern die Denkmuster und Ideen, die jeder auf seine Weise in sich hat", bläute der Philosoph Epiktet (ca. 50 bis 138 n. Chr.) seinen Schülern ein.

Und vor ihm notierte Seneca (1 bis 65 n. Chr.) in seiner kleinen Schrift Über den Zorn: "Die Aufgeregtheit des Gemüts trägt nichts zu einer konstruktiven Gestaltung des Alltags bei. Die geschärfte emotionale Kraft wird erst nutzbringend eingesetzt, wenn die Seele sich mit konzentrierter Aufmerksamkeit auf die Gegenwart richtet, ihre Kraft zweckmäßig einsetzt und sich wieder entspannt."

"Entspannung ist in angespannter Zeit einer der wichtigsten Helfer bei der Selbstbewahrung. Körperlich wie geistig. Die permanent verkrampfte Nackenmuskulatur weist genauso auf ein Missverhältnis von Anspannung und Entspannung hin wie ein immer enger geführtes Denken. Kaum etwas im Leben ist wirklich alternativlos, es sei denn, jemand denkt sich selbst in die Alternativlosigkeit hinein", sagt die Braunschweiger ärztliche Psychotherapeutin Herta Wetzig-Würth.

Es ist diese mentale Selbstfesselung, die den Mainzer Philosophen und Religionswissenschafter Professor Rudi Ott zu dem Hinweis veranlasst: "Ich kann keine Probleme lösen, wenn ich in mir nicht immer wieder Denkmuster aufbaue und pflege, die mir neue Möglichkeiten eröffnen. Jeder geht mit der Zeit kaputt, wenn er sich nicht immer wieder Zeit nimmt, um sich passendere geistige Strukturen aufzubauen: innere Bilder, Gedankenfiguren, Selbstdarstellungsformen."

Der Mann mit dem Hammer

Ein Prachtbeispiel für ein immer enger geführtes Denken ist die Geschichte von dem Mann mit dem Hammer, die Paul Watzlawick in seiner famosen Anleitung zum Unglücklichsein den Lesern unter die Nase reibt: Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat er die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht's mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie Ihren Hammer!"

Im stillen Kämmerchen des eigenen Kopfes

Wundert sich der 2007 in Palo Alto, Kalifornien, verstorbene österreichisch-amerikanische Kommunikationswissenschafter und Psychotherapeut: "Dass man mit der Umwelt und ganz besonders seinen Mitmenschen im Konflikt leben kann, dürfte wohl niemand bezweifeln. Dass man Unglücklichkeit aber ganz im stillen Kämmerchen des eigenen Kopfes erzeugen kann, ist zwar auch allgemein bekannt, aber viel schwerer zu begreifen. Man mag seinem Partner Lieblosigkeit vorwerfen, dem Chef schlechte Absichten unterstellen und das Wetter für Schnupfen verantwortlich machen – wie aber bringen wir es alltäglich fertig, uns zu unseren eigenen Gegenspielern zu machen? Grundsätzlich handelt es sich um die Überzeugung, dass es nur eine richtige Auffassung gibt: die eigene."

"Und die führt beinahe regelhaft vor die selbst aufgebaute Denkwand vermeintlicher Alternativ- oder Ausweglosigkeit und mitten hinein in die blockierende Überzeugung, einem Äußeren innerlich vollkommen hilflos ausgeliefert zu sein", sagt Wetzig-Würth. Die Konsequenz aus dieser mentalen Fehlsteuerung heißt für Ott: "Erst mit sich ständig erneuernden Denkmustern vermag das Ich die Aufgaben anzugehen, die ihm in den Wechselbeziehungen des Lebens gestellt sind. Der Mut wird stärker, die geistige Flexibilität verbreitert sich, die Beziehungsfähigkeit wird kreativer." Es ist dieser Dreischritt, der die Möglichkeit eröffnet, im Wandel wandlungsfähig zu bleiben.

Fallgruben der eigenen Selbsttäuschungen

Es gilt, bildhaft gesprochen, sich von sich selbst zu lösen, um das für jeden Einzelnen beruflich zur Lösung Anstehende lösbarer zu machen. Also zu erkennen, so der Osnabrücker Psychotherapeut und klinische Psychologe Jürgen Kriz, "dass scheinbar allzu Vertrautes den Blick für das aktuelle Geschehen und die Erfahrungsmöglichkeiten verstellen kann. Die Kategorien, in die wir die vermeintlich typischen Situationen einordnen, um sie zu beschreiben, sind dann wirksamer als die reale Erfahrung der neuen Aspekte. Wenige Hinweisreize genügen, und man glaubt bereits zu wissen, worum es geht. Der Blick oder die ersten Worte in den Aussagen des Partners, des Chefs, der Kollegen werden dann zu einem Trigger, der nur noch ein Abspulen der inneren Filme auslöst. Man reagiert dabei auf die eigenen Vermutungen und Unterstellungen und hält diese unbewusst für die äußere Realität, die dann selten infrage gestellt und überprüft wird."

Und fällt so permanent in die Fallgrube der eigenen Selbsttäuschungen, ohne zu erkennen, wie Watzlawick sagt, "dass der Glaube, es gebe nur eine Wirklichkeit, die gefährlichste aller dieser Selbsttäuschungen ist". Um nicht unter die sich permanent drehenden Räder beruflicher Veränderungen zu kommen, gilt es Watzlawick zufolge einzusehen, "dass das wacklige Gerüst unserer Alltagsauffassungen der Wirklichkeit im eigentlichen Sinne wahnhaft ist und dass wir fortwährend mit seinem Flicken und Abstützen beschäftigt sind – selbst auf die erhebliche Gefahr hin, Tatsachen verdrehen zu müssen, damit sie unserer Wirklichkeitsauffassung nicht widersprechen, statt umgekehrt unsere Weltschau den unleugbaren Gegebenheiten anzupassen."

Wie ein Selbst entsteht

Die von Weibel empfohlene mentale Vorbereitung auf die Schwierigkeiten der Zeit beginnt für den Freiburger Neurobiologen, Arzt und Psychotherapeuten Joachim Bauer mit der Selbststeuerung. Mit Selbststeuerung, sagt Bauer, "lässt sich im Leben vieles, ohne sie nichts erreichen (...). Wer, wie es ein Kleinkind tut, nur seinen spontanen Impulsen nachgibt (...), hat kein Selbst. (...) Ein Selbst, auch das kann man am sich entwickelnden Kleinkind beobachten, entsteht erst dann, wenn wir etwas Abstand zu unseren Emotionen, zu den Objekten und den Reizen der uns umgebenden Welt gewinnen, wenn wir innehalten und nachdenken können, was wir wirklich wollen." (Hartmut Volk, 8.10.2016)