Gestohlen und gefunden: Zwei kostbare Van-Gogh-Bilder, die 2002 aus dem Amsterdamer Van-Gogh- Museum entwendet worden waren, wurden in Süditalien im Haus eines Drogenbosses entdeckt.

Foto: APA / AFP / Mario Laporta

Geerbt, gestohlen und noch nicht gefunden: Zwei Ölgemälde und drei Zeichnungen des irischen Künstlers Francis Bacon wurden vor einem Jahr aus einer Madrider Privatwohnung gestohlen. Die fünf Porträts seines Freundes und Erben José Capelo wurden mehrmals am Schwarzmarkt angeboten.

Foto: Policia Nacional
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Es war der größte Raub zeitgenössischer Kunst der vergangenen Jahre in Spanien: Im Juni 2015 waren fünf Bacon-Werke – drei Zeichnungen und zwei Ölgemälde – mit einem Schätzwert von 30 Millionen Euro aus der Wohnung José Capelos gestohlen worden.

Bacons Freund und Liebhaber hatte nach dem Tod des irischen Meisters neben drei Millionen Euro in bar auch einige Bilder von ihm geerbt, darunter die fünf geraubten Werke. Es sind Porträts von Capelo selbst und allesamt mit persönlichen Widmungen versehen.

Zum Tatzeitpunkt befand sich der Kunstliebhaber und Sammler Capelo in England. Die Einbrecher deaktivierten die Alarmanlage seiner Madrider Wohnung und erbeuteten neben den fünf Bacons auch den Inhalt von Capelos Tresor: eine Schmucksammlung und alte Münzen im Wert von 400.000 Euro. Peanuts im Vergleich zu den gestohlenen Bildern, schließlich ist Bacon einer der höchstdotierten Künstler weltweit.

So etwa wurde sein aus dem Jahr 1969 stammendes Triptychon "Three Studies of Lucian Freud" im November 2013 bei Christie's New York um 142,4 Millionen US-Dollar versteigert – und löste Edvard Munchs "Der Schrei" vorübergehend als teuerstes Gemälde der Welt ab. Dieses Ranking führt mittlerweile übrigens Pablo Picasso an, dessen Bild "Les femmes d'Alger" bei einer Versteigerung im Frühjahr 2015 in New York knapp 160 Millionen Euro erzielte.

Kontakte zu Hehlern

Auf dem Madrider Kunstmarkt und seitens der Ermittler war man nach dem Bacon-Raub davon überzeugt, dass es unmöglich wäre, die Werke zu versilbern. Doch wie Whatsapp-Nachrichten und Überprüfungen von Telefonaten später zeigen sollten, kontaktierten die Täter schon bald nach dem Coup Hehler und Händler in der spanischen Hauptstadt sowie im mondänen katalanischen Sitges.

Für sieben Beteiligte klickten bereits heuer im Frühjahr die Handschellen. Drahtzieher und Bilder werden weiterhin gesucht. (Dass die italienische Polizei vor wenigen Wochen im Haus eines Drogenbosses südlich von Neapel zwei Van Goghs fand, die 2002 aus dem Amsterdamer Van-Gogh-Museum gestohlen worden waren, gibt den Fahndern Auftrieb.)

Die sieben Bacon-(Unter-) Händler wurden nach der Verhaftung wegen Vertuschung des Raubes auf freiem Fuß angezeigt, ihre Namen und Netzwerke aber lange geheim gehalten, um die polizeilichen Ermittlungen nicht zu behindern. Doch nun hat die spanische Tageszeitung "El País" Einsicht in die Akten von Polizei und Justiz nehmen können.

Geplatzte Geschäfte

Ans Licht kam ein spannender Krimi über Gier und Geld, Kunst und Schwarzmarkt, mit vielen Erzählsträngen und Schauplätzen. Einer davon ist die Villa des Schmuckhändlers Ricardo Barbastro Heras in Madrids nobler Vorstadt Majadahonda. Der Hausherr bittet im Februar dieses Jahres den in der Madrider Szene wohlbekannten Kunsthändler Antonio Losada de la Rosa sowie dessen Sohn José zu sich.

Der wegen Drogendelikten und Körperverletzung bereits mehrfach vorbestrafte Barbastro zeigt seinen Gästen Fotos von einem der gestohlenen Bacon-Werke. Schlanke zwei Millionen Euro sei der Preis dafür, sagt er. Doch der Kunsthändler will den Besitzer treffen. Und vor allem will er einen legalen Kaufvertrag. Den kann er aus naheliegenden Gründen nicht bekommen, das Geschäft platzt. Dabei war dies bereits der zweite Versuch, einen Deal mit den gestohlenen Bildern einzufädeln.

Schon im September 2015 war der 45-jährige Barbastro an seinen Cousin Jorge de las Heras herangetreten, der in einer Kunstgalerie beschäftigt war. Er habe einige sehr gute Bilder: Die Werke würden im Zuge eines Scheidungsstreits auf den Markt geworfen, der Londoner Besitzer käme so gut wie nie nach Spanien. Barbastros Anruf habe ihn überrascht, wird der Cousin nach seiner Verhaftung bei der Polizei zu Protokoll geben, seit knapp 15 Jahren habe man keinen Kontakt mehr gehabt.

Verwandtschaftstreffen

Misstrauisch sei er auch geworden, weil sich Barbastro vorerst geweigert habe, per Whatsapp Fotos der Werke zu schicken, gab er bei seiner Einvernahme zu Protokoll. Zum persönlichen Treffen sei es dann aber doch im Oktober 2015 in einer Madrider Bar gekommen. De las Heras rät, die Werke in eine Auktion einzubringen, so könne man den Bestpreis erzielen. Dies sei aufgrund der Erbschafts- und Scheidungsproblematik nicht möglich, entgegnet Barbastro. Aber er verspricht dem Cousin "viel Geld", sollte er einen Interessenten ausfindig machen. De las Heras lehnt ab.

Jenem herbstlichen Verwandtschafstreffen wohnt auch Alfredo Cristian Ferriz bei: Chauffeur, um die vierzig, mit schwarzem Karategürtel – und einer langen Polizeiakte, unter anderem we- gen Autodiebstahls, bewaffneten Raubs, tätlicher Drohung und Drogenhandels. Auch er wurde im Mai festgenommen, gemeinsam mit einem seiner Freunde, dem Kunsthändler Cristóbal García. Ihn bezichtigt Barbastro nun, Kopf des Kunstraubs zu sein.

Doch García beteuert seine Unschuld: "Das Allerletzte, was mir einfiele, wäre, die Bacons Hehlern auf dem Flohmarkt feilzubieten." Man habe seinen Namen missbraucht und seine Unterschrift gefälscht: etwa, um jene Digitalkamera in Madrid zu mieten, mit der die geraubten Bacons fotografiert wurden. Tatsächlich konnte ihm ein vom Gericht in Auftrag gegebenes kalligrafisches Gutachten die Unterschrift nicht zuordnen.

Bandenchef in London

Und Kunsthändler Losada de la Rosa, der mit der Sache ja angeblich nichts zu tun haben wollte? Er wollte eines der Bilder dann doch dem Antiquitätenhändler Juan Manuel Marce Gea aus Sitges andrehen. Mit den Worten "hübsches Geschäft, doch da liegt der Hund begraben. Wir sind nicht in einem Alter, um uns in solche Schwierigkeiten zu stürzen", habe dieser den Deal abgelehnt – um sich später seinerseits um potenzielle Interessenten zu bemühen.

Gleichzeitig kontaktierte der katalanische Antiquitätenhändler aber auch das Art-Loss-Register in London. Dessen Antwort: "Die Bacon-Arbeit ist wahrscheinlich gestohlen und in der Interpol-Datenbank registriert." Und London informierte postwendend die spanische Polizei.

Sieben involvierte Händler sind, ein halbes Jahr nach ihrer Verhaftung, nun namentlich bekannt. Dem (noch unbekannten?) Bandenchef ist man angeblich in London auf den Fersen. Fortsetzung im Kunstkrimi folgt. (Jan Marot aus Madrid, 8.10.2016)