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Karlsruhe/Wien – Das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada steht am Mittwoch auf dem Prüfstand des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Fast 200.000 Bürger sowie Politiker der Linken wollen mit drei Eilverfahren verhindern, dass die Regierung in Berlin am 18. Oktober Ceta im EU-Rat zustimmt.

Zur Verhandlung reist unter anderem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an. Das Gericht will wegen der Eilbedürftigkeit seine Entscheidung bereits am Donnerstag verkünden. Die Kläger kritisieren inhaltlich, dass europäische Standards bei Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz als Handelshemmnis betrachtet und abgebaut oder auf nationaler oder europäischer Ebene aufgeweicht werden könnten.

Die Klagen zielen auf die sogenannten Investitionsgerichte zur Streitschlichtung zwischen internationalen Großkonzernen und einer nationalen Regierung etwa über investitionshemmende Umwelt- oder Verbraucherschutzstandards.

Weil Ceta laut Präambel aber grundsätzlich "Investoren im Bezug auf ihre Investitionen schützen" soll und deshalb die Inves titionsgerichte im Zweifel parteiisch seien, befürchten klagende Organisationen, dass der Gesetzgeber aus Sorge vor milliardenschweren Schadenersatzklagen investorenkritische Regelungen von vornherein unterlässt.

Machtbefugnis des Ceta-Führungsgremiums

Der zweite Vorstoß zielt auf die große Machtbefugnis des zentralen Ceta-Führungsgremiums: Dieser sogenannte Gemischte Ausschuss soll mit Vertretern aus der EU und Kanada besetzt sein, nicht aber mit Parlamentariern aus den EU-Mitgliedstaaten. Er kann Protokolle und Anhänge zum Vertrag ändern und Formulierungen zum Investitionsschutz für die Investitionsgerichte verbindlich interpretierend auslegen. Die Übertragung solch einer Machtfülle auf ein zwischenstaatliches Gremium ohne direkte Kontrolle durch Mitgliedstaaten und Parlamente hat das Verfassungsgericht bereits in früheren Urteilen untersagt. Das Gericht könnte deshalb die Berliner Regierung auffordern, sich vom EU-Parlament und dem EU-Ministerrat verbindlich zusichern zu lassen, dass der Ausschuss ohne Mandat keine Änderungen an Ceta vornehmen darf.

Noch nicht alle Kritikpunkte ausgeräumt sieht auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Bei der Schiedsgerichtsbarkeit habe man Zeit gewonnen, die man nutzen wolle, um "die Gesamtfrage der Sonderklagsrechte zu klären", schreibt er in einem Gastkommentar in Profil. Man arbeite an der "Verbesserung des Textes."

Mit Einsparungen für Firmen etwa beim Zoll, der für Industrieprodukte wie Maschinen 3,5 Prozent beträgt, bewirbt unterdessen die Industrie Ceta. Österreichs Exporteure erzielten 2015 einen Handelsbilanzüberschuss mit Kanada in Höhe von 590 Millionen Euro. Dass laut Außenhandelsstatistik der Wirtschaftskammer die heimischen Ein- und Ausfuhren nach Kanada im ersten Halbjahr 2016 spürbar sanken, liege am niedrigen Ölpreis, der die Investitionen der kanadischen Ölindus trie unrentabel macht. (AFP, APA, 9.10.2016)