Künstlerblicke auf internationalen Verkehr: Ina Weber modellierte Keramikcontainer und zeichnete Ansichten aus dem Autofenster.

Foto: Lisa Rastl

Wien – Könnten die großen Straßen zwischen Ost- und Zentraleuropa sprechen, sie hätten einiges zu erzählen: große Geschichten von politischen Hoffnungen, die sich mit der technologischen Modernisierung verbanden, aber auch kleine, die von Schattenwirtschaften, Schmuggel, Sextourismus handeln. Oder auch bloß vom Reisefieber, vom Traum, hinter Grenzen zu schauen.

Ein Geflecht solcher in die Straße eingeschriebenen Erzählungen freizulegen war das Ziel eines Projekts künstlerischer Forschung, das die Wiener Historiker und Künstler Michael Zinganel und Michael Hieslmair 2014 starteten: Stop and Go. Nodes of Transformation and Transition. Gefördert vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF), machten sich die beiden auf, in einem Kleinbus die paneuropäischen Verkehrskorridore zwischen Wien, Bukarest und Tallinn abzufahren. Besonders den Haltestellen im Niemandsland widmeten sie ihre Aufmerksamkeit, Grenzübergängen oder Raststätten etwa.

Zumindest ein Stück weit erschließen kann man dieses spannende Projekt aktuell im Xhibit der Akademie der bildenden Künste. In der Ausstellung Road*Registers. Aufzeichnungen mobiler Lebenswelten präsentieren Zinganel und Hieslmair eigene Ergebnisse ihrer Reisen, ergänzen sie aber auch mit externen Beiträgen journalistischer oder wissenschaftlicher Natur. Im Sinne der künstlerischen Forschung stehen grundsätzlich freilich Intuition und ästhetische Fragen im Vordergrund.

Artefakte und Skizzen

Im ersten Raum widmet man sich unter anderem dem bulgarischen Lkw-Transportunternehmen Somat. Gegründet 1964, war es Mitte der 1980er-Jahre das größte Europas. Von dieser Blütezeit erzählt etwa eine Serie gefundener Fotos, die anlässlich des 20-Jahr-Firmenjubiläums zu Repräsentationszwecken geschossen wurde. Ihr gegenübergestellt ist eine Vitrine mit Zigarettenschachteln, Schallplatten, Zeitschriften – Schmuggelgütern aus dem Nachlass eines Lkw-Fahrers. Sie verweisen auf jene Schattenwirtschaft, die sich unter den Somat-Fahrern entwickeln konnte, weil diese im Gegensatz zum Großteil der bulgarischen Bevölkerung ausreisen durften.

Nicht über "Artefakte", sondern über tagebuchartige Skizzen nähert man sich unterdessen etwa jenen Reisen, die Zinganel und Hieslmair vom Busterminal Wien-Erdberg aus gen Osten unternahmen. Das Medium Bleistiftzeichnung weiß dabei auch von den Widrigkeiten der Arbeit zu erzählen: "Wenn du sagst, du machst ein Forschungsprojekt, redet ja keiner mit dir", erzählt Zinganel. Tatsächlich benutzte man schnelle Skizzen oft zur Überwindung von Kommunikationsbarrieren.

Zu den künstlerischen Beiträgen der Schau zählt etwa eine Serie von Asphaltplatten, die Sonia Leimer aus dem Abfall des Wiener Straßenbaus rettete. Spannender, weil dokumentarisch unmittelbarer präsentieren sich die Videos der Schau, Boris Despodovs Corridor #8 etwa. Es befasst sich mit einem (bis heute nicht realisierten) EU-Vorhaben, das Schwarze Meer infrastrukturell mit dem Adriatischen zu verbinden. (Roman Gerold, 12.10.2016)