Man muss sich das auch einmal bildlich vorstellen: Der Finanzminister berichtet dem Parlament in seiner Budgetrede, dass die "Kosten für die Flüchtlingskrise" mit zwei Milliarden Euro im Budget zu Buche schlagen. Ein paar Meter weiter teilt der Bundeskanzler Medien knapp mit, dass das Integrationspaket auf unbestimmte Zeit vertagt werde. Am selben Tag: große Debatte über die vermeintlichen Kosten "für" Flüchtlinge hier, kurzes Statement über gescheiterte Unterstützung derselben da.

Ganz abgesehen davon, dass vieles, was Flüchtlingen nun budgetär in Bausch und Bogen zugeordnet wird, eher am Rande mit den tatsächlichen Bedürfnissen dieser Menschen zu tun hat: Es ist beschämend, wie nachlässig die Regierung in einer der wichtigsten Zukunftsfragen agiert.

Es ist eben kein "Gutmenschen"-Spleen, eine nationale Gesamtstrategie für Integration zu fordern, es ist pure Vernunft. Es geht um genau abgestimmte Schritte, es geht – auch – um die Verpflichtung, diese zu gehen. Aber noch wichtiger ist: Es muss auch die Möglichkeit dazu geben. Eine Integrationsvereinbarung bedeutet Verpflichtungen für beide Seiten – Asylwerber und Staat.

Da hakt es: Dieselben Politiker, die nach Konsequenzen für Nichtintegrationswillige rufen, nehmen ihre eigene Verantwortung nicht wahr. Beispielsweise gibt es immer noch viel zu wenige Deutschkurse. Zudem hapert es an bundesweiter Koordination. Zuständigkeiten sind unklar aufgeteilt. Wie Asylwerber und Flüchtlinge in der Grundversorgung betreut werden, ist in Wien anders geregelt als etwa in der Steiermark oder in Tirol.

Ein wachsendes Problem ist zudem die unterschiedliche Höhe der Mindestsicherung. Das führt zu innerösterreichischer Migration, was so mancher Politiker mit üppiger Apanage als Charakterfehler der Flüchtlinge (oder ihrer Helfer) darstellt. Dass man von wenigen Hundert Euro im Monat in Österreich nicht leben kann, noch dazu, wenn man nicht arbeiten darf, verhallt dort ungehört.

Apropos Arbeiten: Schon vor den großen Fluchtbewegungen hat AMS-Chef Johannes Kopf vorgeschlagen, Asylwerbern, bei denen sicher ist, dass sie Asyl bekommen werden, nach drei Monaten die Arbeitserlaubnis zu erteilen – was deren Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern würde. Was der Experte für fachlich geboten hält, ist politisch offenbar nicht umsetzbar – im Gegensatz zu Deutschland, wo das seit drei Jahren gelebte Praxis ist. Stattdessen wird über Ministundenlöhne gestritten und das "Problem" an die kommunale Ebene delegiert – freilich ohne Einigung, wie viel Flüchtlinge überhaupt dazuverdienen dürfen.

So ziehen die Monate ins Land. Die Koalition verliert sich in kleinkrämerischen Streitigkeiten, die Flüchtlinge verlieren sich, weil sie nichts zu tun haben und tagelang die Wand anstarren. Wer das für gelungene Integration hält, kann tatsächlich getrost die Kosten für mehr Polizei und ein stärkeres Heer als "Flüchtlingskosten" verbuchen. (Petra Stuiber, 12.10.2016)