Wien – Als Definitionsmacht populärer Musik ist Bob Dylan längst kanonisiert, als Literaturnobelpreisträger erntet der Singer-Songwriter ein vielstimmiges Echo. Es sei "keine schwierige Entscheidung" gewesen, und sie hoffe, dass die Schwedische Akademie nicht kritisiert würde, kommentierte deren Chefin Sara Danius die Entscheidung zugunsten des 75-Jährigen.

Erfüllt wurde diese Hoffnung vor allem von Musikerkollegen von Bruce Springsteen bis Jarvis Cocker, die sich mit so gut wie einhelligem Lob als Gratulanten einstellten.

Kühler fielen indessen die Reaktionen der Literaturszene aus. Zwar lobten Autoren wie Salman Rushdie und Joyce Carol Oates den Prämierten bzw. seine Wahl als "inspirierend". Mircea Cartarescu ist es aber bei aller Wertschätzung um die "wahren Schriftsteller" leid, der bekennende Dylan-Fan Irvine Welsh sprach von einem "schlecht durchdachten Nostalgie-Preis".

An das Lob Dylans als Folk- und Rock-Musiker koppelt auch Literaturkritikerin Sigrid Löffler ihr Urteil einer "fantastischen Fehlentscheidung" der Schwedischen Akademie und den Verdacht, dass sich diese seit einiger Zeit interessant machen wolle.

Die Frage, ob Dylan den Nobelpreis braucht oder der Nobelpreis ihn, ob Songtexte, die erst in der Performance ihre Kraft entfalten, preiswürdig sind, ob die Akademie jetzt ihre Kriterien ausgeweitet hat oder die Fortsetzung alter Traditionen würdigt, bestimmt auch die Frontlinien der Diskussionen in den sozialen Medien und Foren.

Dylan selbst lässt indessen mit einem offiziellen Statement noch auf sich warten. Bei einem Konzert in Las Vegas am Abend der Bekanntgabe überraschte er allerdings mit einem Jazz-Standard als listiger Zugabe: Why Try to Change Me Now. (glicka, 14.10.2016)