Die Fabrik für Eisenwaren in der Thelemangasse hatte Bernhard Mandelbaum gegründet, Großvater des Schriftstellers Frederic Morton, vormals Fritz Mandelbaum. Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten emigrierte er in die USA.

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Solidaritätsbekundung an Hausmauer in Wien-Josefstadt.

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Wien – "Sie haben 120 Sekunden Zeit einen Vereinsvorstand zu benennen", tönt es aus den Lautsprechern im Kulturraum Moë in Wien-Hernals. Die Teilnehmer des "Theatergames" bekommen Post und SMS, müssen E-Mails beantworten und unter Zeitdruck Entscheidungen um Haftungsfragen und Räumungsklagen treffen. Für das Urbanize-Festival für Stadtforschung, das bis Sonntag in Wien ausgetragen wurde, verarbeiteten die Betreiber von Moë ihre drohende Delogierung aus der ehemaligen k. u. k. Orden- und Medaillenfabrik Mandelbaum in der Thelemangasse 4 zu dem partizipativen Stück "You Are Being Sued" – um den Besuchern ein Gefühl dafür zu geben, womit Moë "sich in der Realität auseinandersetzt", sagte Vereinsobfrau Alisa Beck zum STANDARD.

Neu ist, dass die Liegenschaft ein weiteres Mal den Eigentümer gewechselt hat: Seit Juli dieses Jahres gehört sie der Thelemangasse 4 Realtrade Immobilien GmbH.

"Immobilienkarussel"

Beck kritisiert, dass man "als Mieter dieses Immobilienkarussel, das sich immer weiterdreht, nicht einmal mehr mitbekommt". Moë habe nur am Rande eines Gerichtstermins davon erfahren.

Der bisherige Eigentümer, die Immobilienfirma Vestwerk hatte den Mietvertrag, den Moë 2010 mit einem weiteren Ex-Eigentümer geschlossen hatte, nicht verlängert – um das Haus mit Luxuslofts auszustatten. Der Verein entschied aber zu bleiben und das Programm aus Kunst, Musik und Performance um die Kampagne Moë bleibt zu erweitern – als Kritik an der geplanten Gentrifizierung des Grätzels und um eine Debatte über Kulturpolitik und Stadtentwicklung anzustoßen. Das brachte den Künstlern, wie nun bekannt wurde, den Förderpreis der freien Szene Wiens ein – aber auch zwei Räumungsklagen.

Zwei Verfahren

Die Erste ging zu Jahresbeginn ein; die Verhandlung wurde kürzlich abgeschlossen. Das Urteil steht noch aus. Ein zweites Verfahren wegen "Mietzinsrückständen in beträchtlicher Höhe" wird noch verhandelt. Hintergrund ist, dass Moë aufgrund des schlechten Zustands des Gebäudes beim Voreigentümer eine Mietzinsreduktion geltend gemacht hatte, die später von Vestwerk beanstandet wurde.

Man sei derzeit "in der Schwebe", heißt es bei Moë. Auch mit den Urteilen könne sich der Streit, angesichts von zwei Berufungsinstanzen, "noch über Jahre ziehen". Unklar sei vorerst auch, wie sich der Eigentümerwechsel auswirkt. Man wolle, wie bisher mit Vestwerk, das Gespräch suchen. Bei Realtrade war für den STANDARD niemand zu erreichen. (Christa Minkin, 18.10.2016)