Man muss nicht zur Dramatik neigen, um festzustellen: Das schweizerische Lausanne ist der Ort, wo sich heute, Samstag, entscheidet, ob noch ein Weg aus dem Irrsinn, der sich in Aleppo abspielt, herausführt. Wenn das nicht gelingt, wird Russland entweder dem Assad-Regime dabei helfen, Ostaleppo – von dem dann nichts mehr übrig sein wird – militärisch zurückzuerobern. Oder die USA legen ihre verfahrene Syrien-Politik ad acta und riskieren eine direkte militärische Konfrontation mit Russland, indem sie doch noch in den Konflikt eingreifen.

Am Tag vor dem Treffen, an dessen Prozedere bis zuletzt gefeilt wurde – wer redet direkt mit wem, welche Länder nehmen teil -, war die Option, dass der Wahnsinn weitergeht, die wahrscheinlichere. Zwar greift Russland UN-Pläne auf, die dazu führen sollen, den Kern der früheren US-russischen Verständigung doch noch zu verwirklichen: die "normalen" Rebellen in Ostaleppo von den jihadistischen, terroristischen Elementen, die es dort auch gibt, zu trennen. Die jüngste Idee lautet wie folgt: Wenn sich die Rebellen nicht von der militärisch starken und erfolgreichen Nusra-Front, die Al-Kaida zugerechnet wird, lösen können, soll eben die Nusra-Front selbst zum Abzug bewegt werden. Aber warum diese das tun sollte, ist nicht klar.

In den USA werden die Stimmen lauter, die fordern, es sei die Zeit gekommen, die Kosten für Russland in Syrien zu erhöhen. Moskau konnte bisher auf Barack Obamas – gut argumentierte – Linie vertrauen, dass Syrien ein Sumpf sei, in den man sich unter keinen Umständen ziehen lassen dürfe. Wie die saudi-arabische Führung und die türkische Regierung war der US-Präsident 2011 davon überzeugt, Assad werde sich nicht halten. Als dieser auch 2013 noch nicht gestürzt war, setzte Obama bei der Unterstützung der Rebellen auf Zusammenarbeit mit Assad-feindlichen Ländern. Assad ist noch immer da – und neben ihm der "Islamische Staat" und Al-Kaida.

Und ein Russland, das sich einen Teil des Einflusses im Nahen Osten zurückholt, den es im letzten Vierteljahrhundert verloren hat. Wie weit es zu gehen bereit ist – auch in der Erwartung, dass Hillary Clinton und nicht Moskaus Favorit Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewinnt -, bleibt zu sehen. Obama beriet sich am Freitag mit seinen Militärs über mögliche Optionen: Im Jemen hat es bereits, nach Beschuss der USS Mason, einen direkten Vergeltungsschlag gegeben. Aber dort sind keine Russen. (Gudrun Harrer, 14.10.2016)