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Ein Bombenloch in der Decke der Veranstaltungshalle, in der am 8. Oktober in Sanaa eine Trauergesellschaft getroffen wurde. Saudi-Arabien gestand seinen "Irrtum" inzwischen ein.

Foto: Reuters / Al-Sayaghi

Sanaa/Washington/Wien – Einen vielsagenden Einblick in die Stimmungslage in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa verdankt man einem Bericht in den Ö1-Nachrichten am Dienstag: Nein, Amerikaner und Briten wollten das nicht, sagte ein Mann sinngemäß, als er nach den Chancen einer Waffenruhe gefragt wurde. Auch ein zweiter war pessimistisch – und benannte "Christen und Juden" als jene, die dagegen seien.

Die Feuerpause, von der die Rede ist, soll Donnerstag um 0 Uhr beginnen und ist auf drei Tage anberaumt – mit der Hoffnung auf Verlängerung, gab der Jemen-Vermittler der Uno, der Mauretanier Ismail Ould Cheikh Ahmed, bekannt. Hinter ihr steht, anders als das dominierende Narrativ in Sanaa lautet, viel US-Druck – und ein saudisches Schuldeingeständnis: Der Angriff auf eine Trauergesellschaft in Sanaa mit mindestens 140 Toten und hunderten Verletzten vor zehn Tagen sei aufgrund falscher Informationen und mangelnder Aufklärung erfolgt, gab Riad bekannt und bot Entschädigung an. Davor hatte Saudi-Arabien die Verantwortung noch zurückgewiesen.

Zahlreiche Zivilisten unter den Opfern

Die USA hatten bereits in den Monaten zuvor darauf reagiert, dass der saudisch geführte Krieg gegen die Huthi-Rebellen im Jemen viel zu viele Unbeteiligte – mehr als ein Drittel der von der Uno auf 10.000 geschätzten Toten sind Zivilisten – und zivile Infrastruktur trifft. Laut US-Militärs ist das eher keine Absicht, sondern einerseits militärisches Unvermögen und andererseits den asymmetrischen Verhältnissen am Boden zuzuschreiben, wo sich die nicht immer uniformierten Rebellen mit Zivilisten mischen.

Die Frage, über die sich Juristen streiten, lautet, ob auch die USA und Großbritannien als "co-belligerent" belangt werden können, wenn Saudi-Arabien – wie von Menschenrechtlern behauptet – im Jemen Kriegsverbrechen verübt: wegen ihrer Waffenlieferungen – unter Präsident Barack Obama hat Saudi-Arabien US-Waffen um 111 Milliarden Dollar bekommen, und zwar auch noch, als der Krieg schon lief – und wegen ihrer logistischen Unterstützung der Jemen-Offensive. Dazu gehört die Betankung von Kampfjets.

Unterstützung überdenken

Nach dem Angriff auf die Trauergesellschaft gingen in Washington die Alarmglocken los: Man müsse im Licht der "US-Prinzipien, -Werte und -Interessen" seine Unterstützung für die Kampagne überdenken. Was die Sache noch komplizierter macht, ist, dass Schiffe mit – laut den USA von den Rebellen kommenden – Raketen beschossen werden, darunter die USS Mason (die nicht getroffen wurde), in der Meerenge von Bab al-Mandab.

Die USA antworteten mit Schlägen gegen Radareinrichtungen der Huthis. Washington betont, dass diese Militärschläge erstens nicht als Kampfhandlung zugunsten der saudisch geführten Koalition zu interpretieren seien und zweitens sich die USA nicht in diesen Krieg ziehen lassen würden. Leichter zu argumentieren ist das jedoch, wenn sich die USA gleichzeitig um einen Waffenstillstand kümmern. Eine von Außenminister John Kerry im Sommer initiierte "Roadmap" verlief bisher im Sand.

Obama fühlt sich verpflichtet

Für die Obama-Kritiker ist Jemen ein Beweis mehr, dass seine "Doktrin", so genannt in Jeffrey Goldbergs Artikel in "The Atlantic", nicht funktioniert: Sie lautet, dass er sich nicht von – ideologisch dubiosen – "Schwarzfahrern" im Nahen Osten in ihre Kriege ziehen lasse. Die USA sind aber auch im Jemen gleichzeitig drinnen und draußen: Obama fühlt sich verpflichtet, Saudi-Arabien, Verbündeter seit Jahrzehnten, Beweise zu liefern, dass die strategische Partnerschaft nicht tot ist. Denn genau das ist die saudische Angst, seit Obama durch den Atomdeal den Iran auf die politische Weltbühne zurückgeholt hat.

Im Pentagon soll es Genugtuung darüber gegeben haben, als der junge saudische Königssohn, Vizekronprinz und Verteidigungsminister Mohammed bin Salman im März 2015 die Dinge im Jemen selbst in die Hand nahm und den Kampf gegen die vom Iran unterstützten schiitischen Huthis und den mit ihnen verbündeten Expräsidenten Ali Abdullah Saleh aufnahm. Aber der Krieg ist auch für Saudi-Arabien teuer, und die saudische Allianz, die die Installierung der jemenitischen Regierung unter Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi zum Ziel hat, ist so inhomogen wie die Zukunft des Jemens ungewiss. (Gudrun Harrer, 18.10.2016)