Portoroz/Wien – Das 1986 in Kraft getretene Moratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) gilt zwar als großer Erfolg, doch die Organisation hat gegenwärtig einen begrenzten Handlungsspielraum. "Es gibt zwei Blöcke innerhalb der IWC", erläuterte Lukas Meus von Greenpeace zu Beginn der IWC-Tagung, die heuer im slowenischen Portoroz stattfindet.

In einem der Blöcke sitzt Japan, das das Moratorium aufweichen will. Seit langem wird dem Staat vorgeworfen, sich dabei der Stimmen ärmerer Länder zu bedienen. Diese Staaten werden im Gegenzug dafür finanziell unterstützt, so die langjährige Kritik diverser Tierschutzorganisationen.

Diesmal stimmen wieder mehr Länder mit

"Es wäre vermessen, über die Pattstellung innerhalb der IWC hinwegzusehen", kritisierte Nicolas Entrup, Konsulent von OceanCare zudem die Unmöglichkeit, in der IWC substanzielle Entscheidungen durchzubringen, da die dafür notwendige Dreiviertelmehrheit nicht erreicht werden kann. Die NGO hat sich zudem für mehr Transparenz innerhalb der IWC eingesetzt und 2011 verbot das Gremium explizit sogenannte "Motivationsgeschenke".

Meus von Greenpeace fürchtet für die bis 28. Oktober laufende 66. IWC-Tagung in Slowenien trotzdem eine gestärkte Position jener Staaten, die sich für den Walfang stark machen. "Die Lage ist deswegen interessant, weil neun Länder ihr Stimmrecht durch die Zahlung ihrer Mitgliedsbeiträge wiedererlangt haben", sagte Meus. Auch hier gebe es den Verdacht, dass die Gelder von Japan zur Verfügung gestellt worden sind. Meus rechnet daher damit, dass der von Brasilien eingebrachte Vorschlag für ein Schongebiet im Südatlantik, in dem rund 50 unterschiedliche Walarten leben, erneut scheitern wird.

Was die IWC leisten kann

Die Kritik am Verhalten Japans und der IWC-Mitglieder, die für den Walfang agieren, ist aber keine Kritik an der IWC an sich, denn die sei "ein wichtiger internationaler Player, der wichtige Ziele erreicht hat", so der Greenpeace-Sprecher. Die 1946 gegründete Organisation sollte jedoch eine Walschutz- statt eine Walfangkommission sein. Auch OceanCare-Konsulent Entrup lobte die IWC: "Sie hat auf Wirken einiger Staaten, darunter insbesondere Australien, Argentinien, Deutschland, aber durchaus auch Österreich und Monaco, im vergangenen Jahrzehnt zunehmend ihren Fokus ausgeweitet, um neben Walfangaktivitäten auch andere vom Menschen verursachte Gefahren zu adressieren. Der Wissenschaftsausschuss der IWC leistet hier hervorragende Arbeit."

Doch gebe es eben das Defizit der fehlenden Vollzugsmöglichkeiten. "Dieses Manko ist ein Defizit vieler internationaler Übereinkommen und wir sehen immer öfter, dass Staaten willens sind, gut klingende Entscheidungen zu treffen, diese dann jedoch nicht umsetzen oder vollziehen", sagte Entrup. Man bräuchte sozusagen mehr Zähne und weniger Papier, schloss der Experte.

Verbesserungen seit den 1980er-Jahren

Vor dem Verbot des kommerziellen Fangs 1986 wurden im Schnitt noch über 40.500 Tiere pro Jahr getötet, seitdem waren es "nur" rund 1.550 jährlich. Das entspricht einem prozentuellen Rückgang von rund 96 Prozent. Die aktuellen Quoten entfallen zum kleineren Teil auf einige indigene Völker vor allem in der Nordpolarregion, da für diese das Fleisch der Tiere ein wichtiger Bestandteil der Nahrung ist. Die Zahl der von ihnen getöteten Wale stellt aber keine Bedrohung dar.

Stärker ins Gewicht fällt, dass sich Staaten wie Japan, Norwegen und Island nicht an das Moratorium gebunden fühlen. Sie nutzen juristische Schlupflöcher wie die Klausel vom "wissenschaftlichen Walfang" oder den formalen Widerspruch gegen das Moratorium dazu, um weiter zu jagen.

Langsame Erholung

Insgesamt geht es den Walbeständen heute deutlich besser als vor 30 Jahren. "In der Tat haben sich einige Walbestände erholt, wie zum Beispiel Buckelwale im Nordatlantik. Viele Bestände sind aber immer noch weiterhin unter dem Niveau von vor der kommerziellen Walfang-Ära", beurteilte Nicolas Entrup, Konsulent von OceanCare, die gegenwärtige Lage.

Diese Einschätzung deckt sich auch mit der Haltung der österreichischen Vertreter beim IWC. "Manche Populationen erwiesen sich zudem als wesentlich kleiner als gedacht", sagt der Wissenschafter Michael Stachowitsch, stellvertretender Delegationsleiter. Ursache dafür seien verfälschte Statistiken der Fangzahlen etwa von Russland. "Inzwischen ist der Walfang nicht mehr die alleinige Hauptbedrohung, sondern das Verheddern der Tiere in Fangnetzen, die Umweltverschmutzung, Lärm, Krankheiten, oder ihr Sterben als Beifang", erläuterte der Experte.

Der Riese unter den Riesen

Am Beispiel des Blauwals, dem größten Tier, das es auf der Erde jemals gegeben hat, zeigt sich das Ausmaß der zuvor angerichteten Dezimierung: Auf der südlichen Erdhalbkugel gibt es laut IWC-Schätzungen nur noch wenige Tausend Exemplare dieser seit den 70er-Jahren geschützten Spezies – der ursprüngliche Bestand betrug jedoch 200.000.

Zwar hat sich die Wachstumsrate inzwischen wieder erholt und beträgt rund acht Prozent pro Jahr, doch ausgehend von einer Population von 5.000 würde es fast 140 Jahre dauern, bis diese wieder auf dem ursprünglichen Stand angekommen wäre. Durch die langsame Fortpflanzungsrate der gigantischen Tiere können die Populationen nicht rascher anwachsen.

Laut Ansicht von Stachowitsch ist es daher unzulässig zu argumentieren, dass die sich erholten Bestandszahlen es ermöglichen würden, einen kommerziellen Walfang auf "nachhaltige" Weise zu betreiben. "Die Tiere können die ihnen im Ökosystem zugedachte Rolle aufgrund der niedrigen Populationen zum Teil jetzt schon nicht einnehmen", so der Meeresbiologe und Dozent an der Uni Wien. Und auch die Form des nachhaltigen Walfangs würde für Lukas Meus von Greenpeace zudem den Bruch des Moratoriums bedeuten. Nicht zuletzt sei der Konsum des Walfleisches rückgängig, was die Notwendigkeit der Jagd nach den Tieren ohnehin infrage stellen würde. (APA, red, 21. 10. 2016)