Harald Katzmair, Präsident des Stifterverbands.

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Wien – Österreich ist nach 1945 wahrlich kein Land der Philanthropen gewesen, die eine Liebe für Wissenschaft haben: Jene zehn Millionen Euro Spende der Invicta Privatstiftung von Peter Bertalanffy an das IST Austria in Maria Gugging darf man getrost als Ausnahme sehen. Die Gründe für diese noble Zurückhaltung sind teils kulturell bedingt: Länder wie die Schweiz oder Deutschland sind evangelisch geprägt.

Da habe man einen offeneren Zugang zum Reichtum als im katholischen Österreich, meinte einmal Gerhard Kratky, der versucht, für den Wissenschaftsfonds FWF Privatgeldgeber aufzutreiben. Mit durchaus ansprechendem Erfolg: Der "Gottfried- und Vera-Weiss-Preis" wird einmal im Jahr alternierend für die Bereiche Meteorologie und Anästhesie vergeben und ist mit 200.000 Euro dotiert.

Zum anderen sind viele Privatvermögen vor und während des Zweiten Weltkriegs enteignet worden, jüdische Mäzene wurden vertrieben oder ermordet, die Tradition der Philanthropie war also unterbrochen. Und schließlich war das zuletzt gültige Stiftungsrecht hinderlich. Die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung war beschwerlich und wurde oft als "Ämtercanossagang" bezeichnet. Da außerdem die öffentlichen Mittel für Wissenschaft stagnieren, ist vor ziemlich genau einem Jahr nach einer Initiative des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums ein neues Gesetz durch den Ministerrat gegangen, das die Gründung nun so einfach wie eine Vereinsgründung machen soll.

Die Vorteile? Die Grunderwerbsteuer wurde aufgehoben. Man braucht jetzt nur mehr ein Kapital von 50.000 Euro und die Registrierung im Innenministerium. Ein besonders schmackhaftes Zuckerl aber ist: Die Stifter können bis zu 500.000 Euro innerhalb von fünf Jahren steuerlich abschreiben,

Nun kann eine Stiftung auch einer anderen Geld geben, ohne Umsatzsteuer zahlen zu müssen. "Jetzt ist der Zweck einer Stiftung adaptierbar, was zuvor nicht möglich war", lobt Harald Katzmair, Präsident des Verbands gemeinnütziger Stifter. Damit sei das System sogar flexibler als etwa in Deutschland.

Dort ist allerdings die Kultur des Geldspendens wie auch in der Schweiz oder Großbritannien wesentlich ausgeprägter: 15 Milliarden Euro werden in Deutschland jährlich von Stiftungen gespendet, das sind 183 Euro pro Einwohner und Jahr. Die Schweiz liegt mit 160 Euro ebenfalls weit vorn. In Österreich kommen dagegen nur 20 bis 25 Millionen Euro im Jahr von privaten Stiftern, pro Kopf also ganze drei Euro. Während hier 0,5 Prozent der Forschungsförderung von Privatpersonen kommt, liegt der Anteil in Großbritannien bei acht bis zehn Prozent. "Bis dahin haben wir ein Stück Weg vor uns", sagt Kratky.

"Wir erwarten uns von der Gesetzesänderung, dass wir langsam nachziehen" , sagt Katzmair. Ob jetzt der große Stifterboom ausbricht, bleibt abzuwarten. Von den 3025 Privatstiftungen, die es laut einer aktuellen Studie der Wirtschaftsuniversität Wien gibt, sind nur neun Prozent rein gemeinnützig.

Hinzu kommen 440 Bundes- und Landesstiftungen, 180 Bundes- und Landesfonds und eine Reihe an Privatstiftungen, die einen Teil der Erträge für gemeinnützige Zwecke vorsehen. Etwa die Hälfte aller Privatstiftungen halten sich in ihren Stiftungsurkunden immerhin die Möglichkeit offen, sich künftig gemeinnützig zu betätigen.

Tatsache ist, dass viele Initiativen anlaufen: Der Wissenschaftsfonds FWF und die Universitäten sind laut Wissenschaftsministerium bereits spendenbegünstigt. Nicht staatliche Institutionen wie das Institut für Höhere Studien (IHS) oder das Wiesenthal Institut warten auf eine Verordnung des Finanzministeriums, um dann mit einem Okay des Forschungsrats damit ihre wissenschaftliche Tätigkeit nachweisen zu können. Der Wiener Wissenschaftsfonds WWTF, dessen Finanzierung durch eine private Bankenstiftung sichergestellt ist, sucht zusätzliche Mäzene. Im Hintergrund steht eine Zusage der Stadt Wien: Alle neu dazukommenden Mittel sollen verdoppelt werden.

Bleibt noch die Frage, ob eine Steuerbefreiung von bis zu 500.000 Euro in fünf Jahren der Weisheit letzter Schluss ist? "Nein. Aber immerhin: Ein Anfang ist getan", sagt Forschungsratschef Hannes Androsch.

An der Meduni Wien, wo es Stiftungsprofessuren gibt und eines von drei neuen Forschungsgebäuden mit Fundraising finanziert werden soll, sieht man das ganz ähnlich: "500.000 Euro sind aus unserer Sicht eine viel zu geringe Summe, um die Stiftungslandschaft tatsächlich nachhaltig zu verändern", sagt deren Vizerektorin für Forschung, Michaela Fritz. Das Stiftungspaket sei daher als "erster Schritt" zu bewerten.

WWTF und Industriellenvereinigung laden am 25. 10. um 14.30 zur Diskussion "Gemeinsam in die Spitzenforschung" ins Haus der Industrie. Der Biomathematiker Martin Nowak, Professor an der Harvard University, der von privaten Spenden profitieren konnte, spricht über das Thema "Warum wir einander helfen". (Julia Sica, Peter Illetschko, 23.10.2016)