Für die kanadische Datenschutz-Expertin Ann Cavoukian können die stetig wachsenden Datenmengen genutzt und gleichzeitig die Privatsphäre geschützt werden. "Big Data und Big Privacy sind möglich", erklärte sie am Wochenende beim "Austrian Research and Innovation Talk" (ARIT) in Toronto. "Big Data" war ein Schwerpunktthema des alljährlichen Netzwerktreffens österreichischer Forscher in Nordamerika.

"Privacy by Design"

Cavoukian war zwischen 1997 und 2014 Datenschutzbeauftragte der kanadischen Provinz Ontario und leitet seither an der Ryerson University in Toronto das Privacy and Big Data Institute. Bekannt wurde die Datenschutz-Expertin durch das von ihr geprägte Konzept "Privacy by Design". Im Kern geht es dabei darum, den Schutz von Daten und der Privatsphäre bereits bei der Entwicklung von Technologien von vorneherein zu beachten.

Für Cavoukian ist Datenschutz "essenziell für Freiheit und eine notwendige Voraussetzung für gesellschaftliches Wohlergehen und Wohlstand". Es gehe um die individuelle Entscheidung, was man mit seinen Daten tun wolle, "Datenschutz heißt Kontrolle", sagte sie bei dem vom Wissenschafts- und Infrastrukturministerium gemeinsam mit dem Office of Science and Technology Austria (OSTA) veranstalteten ARIT, an dem rund 100 in Nordamerika tätige österreichische Wissenschafter teilnahmen.

"Lassen Sie nicht die Technologien ihre Freiheit einschränken"

"Lassen Sie nicht die Technologien von Big Data gemeinsam mit Big Goverment ihre Privatsphäre und ihre Freiheit einschränken" schreibt Cavoukian auf der Website einer neuen Organisation, die sie vergangene Woche gegründet hat: Ziel des "International Council on Global Privacy and Security, by Design" sei es, Regierungen, Behörden und Unternehmen dabei zu unterstützen, "Politik und Technologien so zu gestalten, dass Datenschutz, öffentliche Sicherheit und Big Data so zusammenarbeiten, dass das Ganze mehr als die Summe ihrer Teile und damit eine Win-Win-Situation für beide Seiten ergibt".

Die derzeit existierenden Modelle, etwa dass man Konsumenten seitenweise Datenschutzrichtlinien durchlesen und dann zustimmen lasse, würden nicht funktionieren, "es ist lächerlich, das auf den Konsumenten abzuladen", sagte Cavoukian. Sie plädiert dafür, das besser "proaktiv zu managen, indem man die Prinzipien von 'Privacy by Design' von vorneherein einbezieht". "Datenschutz als Standardeinstellung" lautet etwa eines der Prinzipien des Konzepts, "Durchgängige Sicherheit während des gesamten Lebenszyklus" ein anderes.

Die Kosten dieses proaktiven Ansatzes seien für Technologieunternehmen deutlich geringer als solche für Datenschutz-Verletzungen: Denn abgesehen von möglichen Gerichtskosten müsse auch eine Beschädigung der Marke und Vertrauensverlust der Konsumenten berücksichtigt werden.

Analyse von Handydaten

Mit den großen Erwartungen in die Analyse von Big Data räumte die österreichische Stadt- und Mobilitätsforscherin Katja Schechtner, die für das MIT Media Lab and die Asian Development Bank arbeitet, auf. Viele Experten würden noch immer glauben, dass Technologie universell funktioniere. Dass das nicht so ist, zeigte sie anhand der Analyse von Handydaten.

Diese könne man etwa in Europa oder Nordamerika Handydaten für Stadtplanung verwenden, weil man damit gut sehe, wo die Menschen schlafen und arbeiten und wie sie jeweils dorthin kommen. Voraussetzung dafür sei das Wissen, dass in westlichen Kulturen ein Handy einer Person gehöre, diese ihr Handy immer bei sich trage und ein Vertrag mit einem Telefonanbieter bestehe, weshalb die Telefondaten speichert werden.

In Asien dagegen würde der überwiegende Teil der Bevölkerung mit Pre-Paid-Handys telefonieren, weshalb deren Daten nicht gespeichert werden. Zudem würden sich oft mehrere Personen ein Handy teilen. Es gebe zwar immer noch viele Daten von Vertrags-Handys, diese gehörten aber einer reicheren Bevölkerungsschicht und würden sich daher nicht als Basis für Stadtplanung eignen.

"Nicht kultur-sensitiver Zugang"

Zu welchen Problemen ein solcher "nicht kultur-sensitiver Zugang" beim Einsatz von Technologien führen kann, schilderte Schechtner anhand eines gescheiterten Verkehrskonzept eines Technologiekonzerns für Ho-Chi-Minh-Stadt. Das Unternehmen sollte den chaotischen Verkehr in Vietnams größter Stadt optimieren. Dazu habe man Sensoren in die Straßen eingebaut, die zunächst den Verkehr analysieren sollten. Auf Basis dieser Daten sollten dann neue Ampeln optimal geschalten werden. Das Projekt endete laut der Mobilitätsforscherin in einem völligen Verkehrschaos. Der Grund: Die Sensoren seien auf Autos ausgelegt gewesen und hätten die Millionen Mopeds, das wichtigste Fortbewegungsmittel des Landes, nicht registriert.

Schechtners Moral von der Geschichte: "Culture eats Technology for Breakfast." (APA, 24.10. 2016)