Das Wirtschafts- und Arbeitsmarktpaket wurde nicht von den Regierungskoordinatoren, sondern von Kanzler Kern (li.) und Vizekanzler Mitterlehner persönlich präsentiert.

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Wien – Am Dienstag war es mal wieder Zeit für einen gemeinsamen Auftritt von Kanzler und Vizekanzler. Auch wenn umstrittene Punkte wie der Zwölf-Stunden-Arbeitstag oder die Abschaffung der kalten Progression auf die lange Bank geschoben wurden, wollten es sich Christian Kern und Reinhold Mitterlehner nicht nehmen lassen, die Details des 400 Millionen Euro schweren Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspakets selbst zu präsentieren.

Wie DER STANDARD bereits berichtete, wird es spezielle Investitionsanreize für Klein- und Mittelbetriebe geben – das "Rückgrat der Wirtschaft", wie Kern formulierte. Für sie wird die Investitionszuwachsprämie, die es Anfang des Jahrtausends bereits gab, wiedereingeführt. Der Finanzminister stellt dafür 2017 und 2018 jeweils 87,5 Millionen Euro zur Verfügung.

  • KMU: Wie sieht diese Förderung nun im Detail aus? Betriebe mit maximal 49 Mitarbeitern bekommen eine Prämie in Höhe von 15 Prozent auf jene Investitionen, die über den Durchschnitt der letzten drei Jahre hinausgehen. Ein Beispiel: Wer bisher 100.000 Euro investierte, diesen Betrag aber 2017 auf 200.000 erhöht, bekommt eine Prämie in Höhe von 15.000 Euro. Maximal kann ein Betrieb 67.500 Euro lukrieren.

    Für Unternehmen zwischen 50 und 250 Mitarbeitern sinkt die Prämie auf zehn Prozent des Investitionszuwachses (maximal 75.000 Euro). Nicht gefördert werden können Investitionen in Grundstücke und Pkws. Das ist eine Reaktion auf Kritik am alten Modell, wie Mitterlehner sagte. Insgesamt sollen Investitionen im Ausmaß von 1,2 Milliarden Euro ausgelöst werden, so die Hoffnung.

  • Gemeinden: Um Investitionen auf kommunaler Ebene anzukurbeln, wird es eine eigene Förderung für Gemeindeinvestitionen geben. Sie bekommen 25 Prozent ihrer Ausgaben (Investitionen für Fahrzeuge und Personal können nicht gefördert werden) vom Finanzminister, maximal aber zwei Millionen Euro. Kern rechnet mit 100 interessierten Gemeinden.

    Eine Schätzung für die Gesamtkosten findet sich im Ministerratsvortrag noch nicht. Details sollen nämlich erst bei den finalen Verhandlungen für einen neuen Finanzausgleich geklärt werden, erklärte Kern. Darüber hinaus soll mit den Ländern und Gemeinden auch ein Modell ausgearbeitet werden, wie man private Investoren stärker zur Finanzierung kommunaler Infrastruktur animieren kann.

Auf Investitionsanreize für große Industriebetriebe konnte man sich noch nicht einigen. Die Forschungsprämie (zuletzt 500 Millionen Euro) könnte aber "ab dem Jahr 2018 erhöht werden", heißt es im Ministerratsbeschluss. Voraussetzung: Die gerade laufende Evaluierung komme zu einem positiven Ergebnis.

Knackpunkt sechste Urlaubswoche

Im Arbeitsmarktbereich wurde der ÖVP-Wunsch nach einer Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden neuerlich aufgeschoben. Gescheitert sei es an der Gegenforderung der SPÖ – es geht um den leichteren Zugang zur sechsten Urlaubswoche –, bestätigte Mitterlehner.

Kern gestand zwar ein, dass sich die Arbeitswelt verändere, man müsse aber auch auf die "Schutzinteressen" der Arbeitnehmer Rücksicht nehmen und brauche daher eine "ausgewogene Lösung". Für Mitterlehner wäre diese längst gegeben, weil die Anhebung der Arbeitszeit ohnehin nur für Betriebe mit Gleitzeit gelten und sich auch an den Überstundenzuschlägen nichts ändern würde, wie er sagt.

Leichterer Zugang

  • Rot-Weiß-Rot-Karte: Geeinigt hat man sich dafür auf eine langjährige Forderung von Wirtschafts- und Studentenvertretern. Künftig können auch Bachelor-Absolventen sowie Doktoranden aus Drittstaaten eine Rot-Weiß-Rot-Karte, die einen Zugang zum Arbeitsmarkt verschafft, beantragen. Die Geltungsdauer wird zudem von einem auf zwei Jahre erhöht, und man hat zwölf statt sechs Monate Zeit, sich einen Job zu suchen.

    Am Mindestentgelt ändert sich nichts: Die Rot-Weiß-Rot-Karte gilt also nur für Jobs, die im nächsten Jahr zumindest 2241 Euro brutto einbringen. Während des Studiums dürfen Drittstaatsangehörige künftig einheitlich 20 Stunden arbeiten (bei Bachelor derzeit nur zehn Stunden).

  • Ausbildungsgarantie: Die SPÖ hat sich wiederum mit der Forderung nach einer Ausbildungsgarantie bis 25 durchgesetzt. Für 19- bis 24-Jährige, die schon länger als vier Monate keinen Job haben, soll es demnach zusätzliche Nachqualifizierungsangebote geben. Dafür gibt es jährlich 25 bis 40 Millionen Euro. Das gerade in Begutachtung befindliche Budget für 2017 wird noch einmal nachdotiert.

    Ziel sei es, vor allem Menschen, die jetzt nur Hilfsarbeitertätigkeiten annehmen könnten, in eine weitere Ausbildung zu bringen, heißt es im Sozialministerium. So mancher Regierungexperte räumt hinter vorgehaltener Hand freilich ein, dass sich die realen Folgen der Ausbildungsgarantie wohl in Grenzen halten werden, weil schon bisher in den allermeisten Fällen Ausbildungen angeboten wurden.

Kern und Mitterlehner gehen davon aus, dass durch die Investitionsanreize in den kommenden Jahren 25.000 neue Jobs entstehen sowie durch die Arbeitsmarktmaßnahmen weitere 25.000 Menschen höher qualifiziert werden können.

Nächste Woche steht das nächste größere Vorhaben der Regierung auf der Tagesordnung: Dann sollen erste Pläne zur Reform der Gewerbeordnung präsentiert werden. (Günther Oswald, 25.10.2016)