Wieder ein Nationalfeiertag geschafft. Die Kranzniederlegung im Fernsehen angeschaut (oder auch nicht), das "Kronen Zeitung"-Riesencover "Wir sind stolz auf Österreich" gesehen (oder auch nicht) und den freien Tag genossen. Die Zeiten, in denen es jede Menge Krampf rund um die Frage gegeben hat, was an diesem Tag eigentlich gefeiert werden soll, sind Gott sei Dank vorbei.

Ideen gab es seinerzeit viele, Konsens gab es wenig. Welcher Tag war erinnerungsträchtig genug, dass alle Österreicher ihn versöhnt und gemeinsam begehen konnten? Der Tag der Gründung der Republik im Jahre 1918? Nein, sagten die Konservativen. Die Gründung der Republik war zugleich das Ende der Habsburgermonarchie, und das war keineswegs für alle ein Freudentag. Das Ende des Naziregimes und die Befreiung 1945? Das wurde nicht einmal ernstlich diskutiert. Für die vielen Nazis im Lande war das keine Befreiung, sondern der Zusammenbruch, die Kapitulation und der Beginn der Besatzung des Landes durch fremde Truppen. Dann vielleicht der Abzug dieser Truppen? Der Staatsvertrag? Das schon eher. Schließlich einigte man sich auf das Gedenken an den Beschluss über die immerwährende Neutralität. Niemandem bedeutete das viel, aber es hatte auch niemand viel dagegen.

Seither gab es viele Versuche, den 26. Oktober mit Bedeutung und einer gewissen Feierlichkeit zu erfüllen. Eine Zeitlang hieß der Nationalfeiertag "Tag der Fahne". Das setzte sich nicht durch. Kein Mensch sagte: Am Tag der Fahne besuchen wir die Großmama. Dann wieder versuchte man es mit der Assoziation von Natur und Heimat und deklarierte den Nationalfeiertag zum Wandertag. Viel bewirkte das auch nicht. Wer spazieren gehen wollte, ging spazieren. Wer lieber zu Hause bleiben wollte, blieb zu Hause.

Und ist Österreich überhaupt eine Nation? Nach 1945 galt die Devise, Österreich, das Opfer der deutschen Eroberer, hätte mit Deutschland überhaupt nichts zu tun. In der Schule lernte man nicht Deutsch, sondern "Unterrichtssprache", und Grillparzer war wichtiger als Goethe. Nur das dritte Lager hielt an der deutschen "Kulturnation" fest und betrachtete Österreich, je nachdem, als "Missgeburt" oder als Teil der deutschen "Volksgemeinschaft". Norbert Hofer und seine Burschenschaft sagen das bis heute. Schließlich fand Kreisky, wie so oft, das erlösende Wort. Wenn wir eine Nationalbank und eine Nationalmannschaft haben, sagte er, dann werden wir wohl eine Nation sein.

Seither haben wir uns alle an unseren Nationalfeiertag gewöhnt. Er hat nicht die zündende Mobilisierungskraft wie der 14. Juli in Frankreich, mit Revolutionsglanz, Marseillaise und Militärparade und nicht die Volkstümlichkeit des Independence Day am 4. Juli in den USA samt Feuerwerk, patriotischen Luftballons und "Star-Spangled Banner". Nationales Pathos liegt den Österreichern nicht sonderlich, und alle Versuche, ein solches zu generieren, haben etwas Peinliches und versickern schnell.

Der 26. Oktober ist ein willkommener zusätzlicher Feiertag. Und allenfalls Anlass zu dem Gedanken, dass man in einem Land zu Hause ist, in dem es sich, ungeachtet aller Probleme, ganz gut leben lässt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 27.10.2016)