Mehr als verfilmte Geschichte: das Massaker in "Dao Khanong".

Foto: Viennale

Frauen und Männer liegen aufgereiht auf dem Boden, das Gesicht nach unten, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Dazwischen Soldaten mit Maschinengewehren, sie befehlen, sich nicht zu bewegen. "Brutaler", ruft eine Frauenstimme durch ein Megafon und ermuntert zu Fußtritten, kurz darauf löst auch die Bildebene das Geschehen als Film-im-Film-Szene auf. Als eine Setfotografin beginnt, Fotos zu machen, wechselt die Erzählung erneut das Register: Während der Originalton weiterläuft, folgt eine Abfolge von Schwarz-Weiß-Standbildern.

Auf die Bilder und ihre repräsentative Funktion ist kein Verlass in Dao Khanong. Ähnlich wie die Pilze, die in diverser Form auftauchen (Shiitake-Zeitrafferaufnahmen, Schimmel auf Weißbrot, Riesenpilze in einem Film von Georges Méliès), ändern auch die Bilder ihren Aggregatzustand – bis hin zum buchstäblichen Pixelkollaps. Sie sind Echos, Spiegelungen und Wiedergänger: von Geschichte und Erinnerung, anderen Bildern. Wiederholt filmt Anocha Suwichakornpong durch Scheiben hindurch: Das Außen zeichnet sich so mit ins Bild hinein.

Bebilderte Erinnerung

Gravitationszentrum des Films ist das Massaker an der Thammasat-Universität von 1976, bei dem linksgerichtete Studenten und Demonstranten von Sicherheitskräften und rechtsextremen Bürgerwehren getötet wurden. Kurz darauf folgte der Militärputsch und setzte der kurzen Phase parlamentarischer Demokratie in Thailand ein Ende.

Suwichakornpong verstreut dieses Ereignis in die Einfaltungen einer zersplitterten Erzählung. In dieser schreibt eine Filmemacherin an einem Drehbuch über eine Ex-Aktivistin, die sie in einem abgelegenen Haus interviewt. Teile ihrer Erzählung sind als bebilderte Erinnerung oder verfilmte Geschichte zu sehen. Eine Kellnerin, die den beiden Frauen in einem Café begegnet, taucht an unterschiedlichen Orten und in wechselnden Dienstleistungsjobs auf. Auch ein Popstar streift die Wege der Figuren.

Mundane History hieß das viel beachtete Debüt der thailändischen Regisseurin aus dem Jahr 2009. Auch Dao Khanong fragt nach dem Verhältnis von dem Alltäglichen und der "großen" Geschichte, dem Weltlichen und dem, was Raum und Zeit transzendiert. "Sie sind lebende Geschichte", sagt die Filmemacherin einmal zu der Aktivistin. Die alte Frau widerspricht: "Ich bin einfach eine Überlebende." (Esther Buss, 29.10.2016)