Teehersteller Lipton bat zum Austausch, in Social Media gab es dafür einen Shitstorm.

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Wer in sozialen Netzwerken lebt, lebt meist in einer Blase. Natürlich habe ich ein paar Freunde auf Facebook, deren Meinungen entweder stark nach links außen oder stark an den rechten Rand tendieren, die Mehrheit meiner Mitposter teilt jedoch meine liberalen Ansichten. Wenn ich mir jene Profile meiner Facebook-Freunde ansehe, welche starke, teilweise extreme politische Tendenzen aufweisen, dann stelle ich eines fest – ihnen geht es gleich wie mir. Eine Vielzahl ihrer Freunde scheint deren fragwürdigen, wenn auch nicht verbotenen, Ansichten gutzuheißen. Nun könnte man argumentieren, dass das alles kein Problem ist und Menschen mit gewissen Präferenzen – seien sie politisch, sportlich oder dergleichen – auch eher mit Personen befreundet sind, welche eine ähnliche Einstellung vertreten. Das wäre allerdings zu kurz gedacht.

Willkommen im postfaktischen Zeitalter. Die sozialen Medien polarisieren, das bestätigen mittlerweile auch verschiedenste Studien, und genau das wird nun zur größten Gefahr für unsere Demokratie. Denn die Gegenseite wird nicht mehr angehört. Sie existiert in unserer Blase nicht. Solange wir uns auch noch außerhalb von Facebook und anderen Netzwerken mit Nachrichten versorgen, ist dieses Problem nicht allzu gravierend. Doch wenn die Statusmeldungen der Facebook-Freunde das Lesen von Zeitungen oder das Sehen von Fernsehnachrichten substituieren, führt dies unweigerlich zu einer verzerrten Vorstellung der Realität – und diese ist ohne Zweifel gefährlich.

Wenn ein Tee spaltet

Es ist der Nachmittag vor dem Nationalfeiertag, ein Unternehmen postet auf dessen neuer Facebookseite seine Gedanken zum Nationalfeiertag. "Offenheit versetzt Berge" lautet der Slogan, es wird zu mehr Miteinander und Austausch aufgerufen, marketingtechnisch natürlich mit dem Hinweis, dass dies sehr gut bei einer Tasse Tee funktioniere. Das ist es dann aber auch. Es folgt weder ein "Refugees Welcome", noch ein "Kein Mensch ist illegal" oder etwas dergleichen.

Der harmlose Slogan alleine reichte aus, um einen Sturm der Entrüstung auszulösen. Die Kommentarspalten quollen über mit teils offen rassistischen Bemerkungen. Ein Vorfall, welchen es vor ein paar Jahren mit Sicherheit nicht in diesem Ausmaß gegeben hätte. Sind nun die Flüchtlinge schuld, der Tee, oder ist es vielleicht die Hysterie einer Masse, welche keine andere Meinungen, ja nicht einmal den Slogan eines Teefabrikanten, durch ihre isolierte Weltanschauung verkraften kann?

Die Narrenfreiheit scheint gerade in den sozialen Netzwerken um sich zu greifen. Es ist eine Entwicklung, welche uns größten Grund zur Sorge geben sollte. (Daniel Guzmics, 28.10.2016)