Fast vergessen! Tayyip Erdogan wollte ja die Todesstrafe wieder einführen. Das war der große Schlachtruf in den ersten Tagen nach dem gescheiterten Putsch im Juli. Also nach Erdogans Entscheidung für den Einmarsch in Syrien und auch nach seiner Reklamierung griechischer Inseln, aber noch vor seiner Ankündigung eines Referendums über den von Brüssel jährlich mit rund einer Milliarde Euro in Betrieb gehaltenen Beitrittsprozess zur EU. Man verliert leicht den Überblick beim Tempo der Ansagen, die der türkische Präsident macht.

Eine Plebiszit-Demokratie, wie sie die Türkei nun wird, muss so laufen. Der Erdogan-Staat hechelt sich mit Ankündigungen über die Runden, eine sensationeller als die andere. Das hält das Volk auf Trab, und gibt es auf diesem Jahrmarkt der Sensationen auch noch Taten – um so besser: vormittags Razzia gegen Mitglieder diverser Terrororganisationen, nachmittags Bahnhofseröffnung mit Todesstrafenrede, abends neue Präsidialdekrete mit Massenentlassungen zur Säuberung der Universitäten.

Muss man Erdogans Ankündigung einer Wiedereinführung der erst 2004 abgeschafften Todesstrafe ernst nehmen? Durchaus. Eine Mehrheit im Parlament findet sich wohl dafür; auch eine bei einem Referendum, sollte es dazu kommen. Die politische Aussage, die mit der Wiedereinführung der Todesstrafe getroffen wird, ist klar: Ankara ist nicht mehr interessiert an einem Beitritt zur EU. (Markus Bernath, 30.10.2016)