Kunstwerk in luftiger Baustellenhöh: "Lunch Atop" von Steinbrener/Dempf und Huber.

Foto: Rainer Dempf

Wien – Mittagspause auf einem Wolkenkratzer ist eines der berühmtesten Schwarz-Weiß-Fotos der Welt. Das 1932 von Charles Clyde Ebbets eingefangene Bild zeigt elf Männer, die während des Baus des RCA Building über den Straßenschluchten von Manhattan trinken, rauchen und Zeitung lesen. Höhenangst ist ein Fremdwort.

Seit wenigen Tagen ist das in der Kunstwelt bereits vielfach zitierte Bild auch in Wien zu sehen. Auf den Althan-Gründen hinter dem Franz-Josefs-Bahnhof, die derzeit vom Wiener Bauträger 6B47 revitalisiert und zu 240 Eigentumswohnungen umgebaut werden, errichteten die Wiener Künstler Steinbrener/Dempf & Huber mit Lunch Atop eine weithin sichtbare Skulptur im öffentlichen Raum.

Ansicht mit der einst von Friedensreich Hundertwasser behübschten Müllverbrennungsanlage.
Foto: Rainer Dempf

Zum Nachdenken anregen

"Baustelle ist meist negativ konnotiert, doch eigentlich ist dies als Beginn oder Neubeginn ein sehr spannender Moment", sagt Christoph Steinbrener. "Wir wollten diesen Augenblick visuell anschaulich machen und zelebrieren. Vor allem aber möchten wir mit dieser Replik auf Ebbets jene Menschen honorieren, ohne die sich auf der Baustelle keine Schraube bewegen würde und die meist öffentlich unbeachtet bleiben – die Bauarbeiter." Ob das Projekt als Kunstwerk wahrgenommen wird oder nicht, spielt für den Künstler nur eine untergeordnete Rolle. "Wichtig ist, dass wir zum Nachdenken anregen. Auf welcher Ebene das passiert, ist uns egal. Mehrdeutigkeit ist etwas Schönes."

Zwölf Meter ragt der tonnenschwere I-Träger HEB 400, der üblicherweise im Brücken- und Wolkenkratzerbau zum Einsatz kommt, ins Nichts hinaus. Die Befestigung am Rohbau der ehemaligen Wiener Postdirektion, die nun als nackte, fast surreale Betonskulptur aus dem neunten Bezirk ragt, war ein konstruktiver Kraftakt. Bei den fünf sitzenden Figuren hingegen handelt es sich um 20 Kilogramm schwere Leichtgewichte. Hinter der Konstruktion verbergen sich Styroporfiguren, die mit Textil eingekleidet und anschließend mit flüssigem Polyurea besprüht wurden. Das Gesamtbudget von Lunch Atop, das vorerst für die Dauer von zwei Jahren bis zur Fertigstellung des Wohnprojekts genehmigt ist, beläuft sich auf rund 100.000 Euro. (Wojciech Czaja, 2.11.2016)