Schumann-Forscher: Lia Pale und Mathias Rüegg.

Foto: Sane, Bitesnich

Wien – Unweit der Schönlaterngasse 7, wo in romantisch ferner Zeit Robert Schumann ein Jahr lang hauste (1838), gar zarte Briefe an seine Clara schrieb, widmet sich im Porgy & Bess ein Duo den Liedern des Komponisten. Delikat assistiert von Trompeter Mario Rom, Perkussionistin Ingrid Oberkanins und Bassist Hans Strasser setzt Sängerin Lia Pale dabei um, was Mathias Rüegg (am Klavier) aus den Miniaturen des deutschen Tondichters herausgelesen hat.

Es ist nach der glänzenden Adaption von Schubert-Liedern ein weiterer Versuch, klassisches Material der swingenden Gegenwart nahezubringen – grundsätzlich steht das Projekt in einer jazzigen Tradition, sich Inspiration durch die Auseinandersetzung mit Ideen anderer Stilwelten zu holen: "Jazz kann als Schwamm betrachtet werden, der alles in sich aufnimmt. Es ist naheliegend, die Klassik dazuzuzählen." Rüegg, eine gefühlte Ewigkeit mit dem Projekt Vienna Art Orchestra verbunden gewesen, hat schon Satie, Strauß und Poulenc bearbeitet. Zuletzt durchforstete er mit Lia Pale "etwa dreihundert Schumann-Lieder" – Pale zur auch (emotionalen) Auswahl: "Manchmal hab ich mich so sehr in zwei Takte oder in eine einzige Phrase verliebt, dass das Grund genug war, das ganze Lied singen zu wollen."

Für Rüegg haben "das Notenbild und die Länge der Lieder eine große Auswahlrolle gespielt". Viele Entscheidungen hätte er jedoch "intuitiv getroffen, indem die Bearbeitungsmöglichkeiten im Vordergrund standen". Der Unterschied zu den Franzl-Songs? "Im Gegensatz zu Schuberts Einleitungen sind es bei Schumann die Endings, die ins Auge stechen und bisweilen die Türen weit ins 20. Jahrhundert hinein aufstoßen." Neben einer "möglichst genauen Umsetzung der Vorlage – Melodie und Form bleiben, zwar durch Soli angereichert, doch unangetastet – kommt diesmal ein neues Element ins Spiel". In jedem Stück tauche nämlich "irgendwo, aber jedes Mal anders montiert, ein Teil der Originalversion durch Stimme und Klavier auf. Man könnte es als Vexierbild sehen."

Zusätzlich würden die ins Englische übersetzten Texte "mit der deutschen Originalversion kombiniert, und auch das immer unterschiedlich", so Rüegg. In diesem Sinne sei – nach Pale – Ich grolle nicht aus der Dichterliebe das heikelste Lied: "Es ist das einzige, in dem Mathias das gesamte Original in die Bearbeitung miteinbezogen hat. Und zwar so, dass es zwischen Original und Bearbeitung quasi hin- und herspringt. Es ist stimmlich das herausforderndste Lied."

Im Porgy findet das Projekt etwa bei Zornig zu einer energischen Leichtigkeit; diskretes Feuer entfacht O Freund, mein Schirm und Schutz. Und zu emotionaler Tiefe findet Pale besonders bei Ich hab im Traum geweinet. Die interessante Idee, das Original aus der Bearbeitung auftauchen zu lassen, würde aber noch mehr Eindringlichkeit generieren, grenzten sich die Bearbeitungen stilistisch noch stärker von Schumann ab.

Die delikate Stimme von Pale, mit diesem gewissen Etwas, wird zudem vom deutschen Original mitunter in Bereiche gedrückt, die einen etwas gestelzten Ausdruck provozieren. Kein Malheur. Etwas Routine, da und dort ein freierer subjektiver Vokalausdruck – und das Blättern im Schumann-Songbook wird Schubert'sche Leichtigkeit ausstrahlen. (Ljubisa Tosic, 3.11.2016)