Symbole wie das Kreuz an der Wand sind in Kindergärten mit religiöser Trägerschaft häufig zu finden. Kinder, die der dominanten Religion nicht angehören, sehnen sich nach Zugehörigkeit.

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Wien – Die Studie des Religionspädagogen Ednan Aslan über die Betreiber islamischer Kindergärten in Wien sorgte vor einem Jahr für Aufregung. Salafisten und Islamisten dominieren Wiens islamische Kindergärten, stellte er fest. Die Einrichtungen würden zum Teil als finanziell lukrative Firmen geführt, auch "politische Ziele" würden verfolgt. Kritisiert wurde die Methodik Aslans, die Studie gehe zu wenig in die Tiefe.

Dennoch reißt die Kritik an Wiens elementarpädagogischen Einrichtungen nicht ab, auch weil Fördergeldskandale aufgetaucht sind. Die Stadt untersucht nun mit einem sechsköpfigen Forscherteam bis Mai 2017 alle islamischen Einrichtungen in Wien.

Umgang mit religiöser Differenz

Auch Helena Stockinger von der Katholischen Privatuniversität Linz widmete sich in einer Studie einem Teilbereich des Forschungsfeldes, nämlich dem Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten, und der Weise, wie Kinder darauf reagieren. Sie hat eine Art Tiefenbohrung in zwei Wiener Kindergärten gemacht – einer mit katholischer, der andere mit islamischer Trägerschaft. Die Studie ist eine qualitative, die Ergebnisse sind nicht repräsentativ.

Die Kriterien bei der Auswahl der beiden Kindergärten – sie werden namentlich nicht genannt – waren, dass sie in religiöser Trägerschaft sind und dass Kinder aller Religionen aufgenommen werden.

Religionszugehörigkeit in den zwei Kindergärten:

Kindergarten in katholischer Trägerschaft

katholisch: 45,7 %
muslimisch: 17,4 %
ohne Bekenntnis: 17,4 %
orthodox: 13,1 %
Hindu: 2,2 %
Sikhs: 2,2 %

Kindergarten in islamischer Trägerschaft

katholisch: 8,1 %
muslimisch: 91,9 %

Im Kindergartenjahr 2013/14 wurden Stockinger Einblicke in den Alltag gewährt. Die Ergebnisse liegen nun vor:

  • Dominanz der eigenen Religion In beiden Einrichtungen stand die Religion des jeweiligen Trägers stark im Fokus. Überlegungen, andere Religionen einzubeziehen, sind nur am Rande vorgekommen. Das Bewusstsein war zwar zum Teil da, es fehlten aber Konzepte.

  • Geringe Kommunikation über Vielfalt Bei der Fragestellung, wie im Kindergarten über religiöse Vielfalt kommuniziert wird, wurde deutlich, dass religiöse Differenz wenig angesprochen und das Thema so lange vermieden wird wie möglich. Im katholischen Kindergarten ist etwa ein Konflikt aufgetreten, weil eine muslimische Mutter nicht wollte, dass ihr Kind ein Kreuzzeichen macht. Die Pädagogin sagte daraufhin, dem Kind stehe es frei, eine Einrichtung zu besuchen, in der keine religiösen Handlungen vorkommen. Damit war das Thema erledigt.

  • Feste, Bräuche, Gebete Der dritte Bereich betrifft die erkennbaren Elemente im Kindergartenalltag. Feste werden hauptsächlich in der Religion der Trägerschaft gefeiert, andere nicht wirklich erwähnt. Gebetet wird ausschließlich in der Tradition der jeweiligen Trägerschaft. Der Kindergartenraum in katholischer Trägerschaft war sehr stark von christlicher Symbolik geprägt. Vor Weihnachten waren eine Krippe und ein Adventkranz aufgestellt. Im Kindergarten des islamischen Trägers gab es im Hauptraum keine Symbole, dafür ein Zimmer für den Religionsunterricht und eine Moschee.

Dass Kinder Unterschiede bemerken, fand Stockinger sehr wohl heraus. Am Tag nach dem Martinsfest wurde ein Kind im katholischen Kindergarten angesprochen, warum es nicht teilgenommen habe. Das muslimische Kind meinte, es sei dabei gewesen. "Der Wunsch nach Zugehörigkeit wurde bei den Kindern deutlich", sagt die Religionspädagogin.

Differenz zulassen

Stockinger fordert "mehr Sensibilität" und die Entwicklung der Kindergärten als "Safe Spaces". Darunter versteht sie Kommunikationsräume, in denen Differenz zugelassen wird. "Strukturelle Herausforderungen" sollten in den Blick genommen werden. Wichtig sei, die Reflexionsfähigkeit des Personals zu stärken, es im interreligiösen Umgang zu schulen.

Da sei auch die Stadt gefragt. Trägerorganisationen hätten den Willen, alles richtig zu machen, seien oft aber unsicher. Die Dringlichkeit der Frage habe die Stadt zu einer Fachenquete über Elementarpädagogik in einer Einwanderungsgesellschaft veranlasst.

Religiöse Trägerschaften allgemein zu unterbinden, hält Stockinger nicht für zielführend – solange eine Offenheit anderen Religionen gegenüber vorhanden sei. (Rosa Winkler-Hermaden, 10.11.2016)