Wien – Biopsien liefern wichtige Informationen für die Therapie von Krebserkrankungen. Derzeit erfordern Gewebeuntersuchungen in den meisten Fällen einen chirurgischen Eingriff. Tumor-DNA lässt sich aber auch aus dem Blut gewinnen. Das könnte in der Zukunft die Diagnose und die Therapieüberwachung ergänzen, stellten Experten aus Anlass einer Expertentagung in Wien fest.

In der Bundeshauptstadt findet die Jahrestagung der österreichischen und Schweizer Pathologen-Gesellschaften statt. Dort werden auch die Möglichkeiten der sogenannten Liquid Biopsy diskutiert.

Aufwendiges Verfahren

Mit dieser Methode kann das Problem der Gewebeentnahme umgangen werden, indem sie mit Tumorzellen arbeitet, die in das Blut des Patienten ausgeschwemmt werden. "Die Schwierigkeit dabei ist allerdings, dass nicht so viele Tumorzellen im Blut unterwegs sind", sagte Gerald Höfler, Vorstand des Instituts für Pathologie der Medizinischen Universität Graz. "Das heißt, die Zellen sind in einer Blutprobe nicht einfach zu finden und müssen mit aufwendigen Verfahren identifiziert und isoliert werden."

Die Liquid Biopsy eröffnet allerdings Chancen, die über die Vermeidung invasiver Eingriffe hinausgehen. Sie kann nämlich ohne große Belastung für Patienten in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Während im Anfangsstadium einer Krebserkrankung praktisch immer Material aus Biopsien oder aus der operativen Entfernung des Tumors vorhanden ist, wird es bei fortgeschrittener Erkrankung zunehmend schwierig, an relevante Informationen über den Tumor heranzukommen.

Auf die Ergebnisse älterer Biopsien kann man sich nicht immer verlassen: Untersuchungen haben gezeigt, dass Tumoren im Verlauf der Erkrankung ihr genetisches Profil ändern können. In Zukunft könnte die Liquid Biopsy Einfluss auf die längerfristige Gestaltung der Therapie nehmen – dies umso mehr, als bei immer mehr Krebserkrankungen immer längere Überlebenszeiten erreicht werden.

Prognose und individuelle Therapie

Statt ganzer Zellen kann aber auch die im Blut zirkulierende Erbinformation des Tumors als Informationsquelle herangezogen werden. Man spricht von zirkulierender zellfreier Tumor-DNA. Die DNA-Fragmente gelangen aus Tumorzellen durch Apoptose ("Programmierter Zelltod; Anm.), Nekrose oder Sekretion in die Blutzirkulation.

Diese Erbsubstanz stellt quasi einen Tumor-Marker dar, der in Zukunft im Rahmen der Liquid Biopsy dank der hohen Sensitivität der Analyse für eine genauere Beobachtung des Krankheitsverlaufes von Patienten genützt werden könnte. Ähnlich wie bei zirkulierenden Tumorzellen ist auch eine erhöhte Menge dieser DNA im Blut mit einer schlechten Prognose bezüglich der Krankheit verbunden. Gleichzeitig könnte auf Basis dieser Methode zukünftig eine individuelle Therapie erstellt und im Falle eines Nicht-Ansprechens oder Verlust des Ansprechens schneller angepasst werden.

Das Finden tumorspezifischer Veränderungen

"Die Analyse zirkulierender Tumor-DNA ist ein vielversprechendes Forschungsgebiet", betonte Alberto Bardelli von der Universität Turin, der auf der Tagung in Wien einen Vortrag hält. "Sie ermöglicht es uns, im Blut des Patienten nach tumorspezifischen Veränderungen zu suchen. Ein großer Vorteil ist auch ihre hohe Spezifität, denn Mutationen in der zirkulierenden Tumor-DNA sind typische Eigenschaften des Tumors eines individuellen Patienten. Man erkennt sie daran, dass sie in der normalen DNA in anderen Geweben desselben Individuums nicht vorhanden sind."

Routine in der täglichen Betreuung von Patienten in Kliniken ist das alles derzeit aber noch nicht. "Wir befinden uns gegenwärtig in einem Prozess der Standardisierung der Labor-Methoden. Deshalb gibt es mit einer einzigen Ausnahme – beim Lungenkarzinom, wenn eine Probengewinnung auf anderem Weg nicht möglich ist – noch keine Empfehlungen in den Leitlinien", so Höfler. (APA, 10.11.2016)