Wien Modern wagt ein Experiment: in 80 Minuten alle Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch.

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Wien – "Chaos statt Musik" – das wurde Komponist Dmitri Schostakowitsch 1936 in der Prawda, dem Zentralorgan der Partei, vorgeworfen, nachdem er bei Stalin in Ungnade gefallen war. Er diente dem Regime weiterhin als prominentester Repräsentant und war nahe daran, an diesem Druck zu verzweifeln. Neben der offiziell geforderten affirmativen Musik artikulierte der Komponist anderswo all seinen Zweifel und seine Trauer.

Es ist sicher kein Zufall, dass der Komponist sein erstes Streichquartett 1938, bald nach der Prawda-Episode, schrieb. Und er blieb diesem Genre lebenslang treu, komponierte bis kurz vor seinem Tod 1975 15 Werke dieser Gattung. Wien Modern stellt heuer Streichquartette mehrerer Komponisten in den Mittelpunkt.

Neben einer Reihe neuer Stücke, nach der ersten Gesamtaufführung der Streichquartette von Harrison Birtwistle und vor einem Projekt mit allen vier Quartetten von Schönberg in Kombination mit vier späten Beethoven-Quartetten sowie dem Livre pour quatuor von Pierre Boulez (16. bis 19. November) bringt das Festival mit Schostakowitsch eines der spektakulären Projekte in den Großen-Konzerthaus-Saal, wenn alle 15 Streichquartette in einer Simultanaufführung zu erleben sein werden.

Ganze fünfzehn Ensembles, angeführt vom Arditti Quartet, spielen Schostakowitschs Kompositionen nach einer Konzeption des Festivalleiters Bernhard Günther teils überlappend, teils einzeln – und laden das geschätzte Publikum dazu ein, "sich leise zwischen den Ensembles zu bewegen und an diesem besonderen Abend Teil des Ganzen zu werden." (Daniel Ender, 10.11.2016)