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Ricardo Russelló feiert mit seinen Anhängern, nachdem er zum Gouverneur gewählt worden ist.

Foto: Reuters/Alvin Baez

San Juan / Wien – Puerto Rico hat einen neuen Gouverneur. Ricardo Rosselló, dessen Vater auch schon höchster Politiker der Karibikinsel war, hat in den nächsten vier Jahren keine einfache Aufgabe vor sich: Das US-Außengebiet steckt in einer schweren Finanzkrise, gleichzeitig laufen dem Land die Ärzte davon. Die Regierung muss einen Schuldenberg von 72 Milliarden Dollar (66 Milliarden Euro) abbauen. Tausende Pensionszahlungen an ehemals öffentliche Bedienstete stehen aus.

Die 1.600 Kilometer südöstlich von Florida gelegene Insel galt in den 1980er-Jahren als beliebter Investmentort: Ein US-Steuerpaket lockte Anleger mit Vergünstigungen in die Karibik. Eine Zeit lang lief die Wirtschaft gut, viele Puerto Ricaner fanden Arbeit in der neuen Gütererzeugungs- und Serviceindustrie. Doch als das Steuerpaket auslief, verließen immer mehr Firmen den Inselstaat.

Die Regierung borgte sich Geld aus, um die Jobs weiter erhalten zu können. Während dieser Zeit sammelte Puerto Rico hohe Schulden durch Anleihen an und wurde zusätzlich schwer von der Wirtschaftskrise getroffen. Außerdem setzte die puerto-ricanische Entwicklungsbank durch die Finanzierung eines Veranstaltungszentrums und mehrerer Hotels Unsummen in den Sand.

US-Regierung überwacht die Finanzen

Puerto Rico hat einen Sonderstatus als selbstverwaltetes Außengebiet der Vereinigten Staaten, deshalb kann die Regierung in San Juan auch nicht in Insolvenz gehen, wie es zum Beispiel Detroit getan hat. Die Staatsbank berichtete Ende Oktober, kurz vor der Pleite zu stehen. "Die Entwicklungsbank verfügt derzeit nicht über genügend Liquidität, um die Einlagen auszuzahlen", so Finanzminister Juan Zaragoza.

Präsident Obama verabschiedete im Juni ein Rettungsgesetz, um das Schlimmste abzuwenden. Durch das Gesetz mit dem klingenden Namen "Promesa" (Puerto Rico Oversight, Management, and Economic Stability Act) werden sämtliche zu zahlende Schulden bis Mitte Februar 2017 eingefroren. Weder der Name, der auf Spanisch "Versprechen" bedeutet, noch die Gesetzesüberwacher bereiten den Inselbewohnern viel Freude. Das Komitee, das auch "junta" genannt wird, setzt sich aus vier Republikanern und drei Demokraten zusammen und ruft bei vielen Puerto Ricanern die Erinnerung an die Kolonialzeit wach.

Ärzte verlassen das Land

Die Finanzkrise macht sich im Land bemerkbar: Die Hälfte der Einwohner lebt in Armut, hinzu kommt eine Arbeitslosenquote von rund zwölf Prozent. Eine Stadt im Norden des Landes hat bereits ihr Rathaus geschlossen und ihre Angestellten in unbezahlten Urlaub geschickt. Jene Puerto Ricaner, die es sich leisten können, verlassen die Insel und suchen ihr Glück in den USA. Puerto Ricos Einwohnerzahl ist zwischen 2009 und 2016 um 700.000 Menschen geschrumpft, allein im Vorjahr haben 100.000 Menschen die Insel verlassen. Vor allem junge und gebildete Menschen im arbeitsfähigen Alter verlassen das Karibikparadies.

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Strand und Meer: Puerto Ricos Schönheit kann nicht über die Krise des Landes hinwegtäuschen.
Foto: AP/Ricardo Arduengo

Unter dem Emigranten befinden sich auch zahlreiche Ärzte. Laut der medizinischen Universität in San Juan verlassen täglich zwei Mediziner die Insel, die einzige Flugambulanz hat dieses Jahr ihren Betrieb eingestellt. Insgesamt sind 36 Prozent weniger Ärzte in Puerto Rico tätig als noch vor zehn Jahren. Die Sterberate chronisch kranker Menschen ist zudem drastisch gestiegen. Der medizinische Engpass wird jedoch auch künftig nicht weniger werden: Zwanzig Prozent der Bewohner sind älter als 60 Jahre.

Die Sozialausgaben Puerto Ricos sind im Vergleich zu den US-Staaten relativ hoch, knapp die Hälfte der Bevölkerung ist im Medicare- oder Medicaid-Programm. Ärzte erhalten immer später Rückzahlungen für die Behandlungen, viele nehmen daher keine Patienten aus den beiden Gesundheitsprogrammen an. Wer nicht lange auf einen Termin warten möchte, muss aus der eigenen Tasche zahlen. Die Situation ist besonders gravierend, da sich der Zika-Virus auf der Insel verbreitet hat. Insgesamt gibt es in etwa 28.000 Infizierte, allein im Oktober waren 2.000 Schwangere mit dem Virus infiziert.

Puerto Rico will 51. Bundesstaat werden

Viele Puerto Ricaner fühlen sich von Obamas Regierung im Stich gelassen. Die Menschen sind als Teil des Commonwealth US-Bürger, genießen jedoch nicht die gleichen Rechte wie jene Bürger am Festland. Puerto Ricaner dürfen zum Beispiel weder an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen noch Kongressabgeordnete oder Senatoren wählen. Die Wahlberechtigen dürfen lediglich an den Vorwahlen teilnehmen. Im Repräsentantenhaus in Washington sitzt zwar ein puerto-ricanischer Abgeordneter, er verfügt jedoch über kein Stimmrecht. Mit Rosselló haben die Puerto Ricaner einen US-freundlichen Gouverneur gewählt. Rosselló will sich erneut darum bemühen, dass Puerto Rico der 51. Bundesstaat der USA wird.

Trump kündigte Unterstützung an

Die puerto-ricanische Bevölkerung hat sich bereits 2012 bei einer Volksabstimmung zu 61 Prozent für den vollen Status als US-Bundesstaat entschieden, in Washington wurde jedoch noch kein rechtlicher Schritt dazu gesetzt. Ob Donald Trump der beste Partner für das Vorhaben sein wird, wird sich erst weisen. Der zukünftige Präsident kündigte zwar in einem Kommentar bereits vage an, Puerto Rico in seiner Entscheidung zu unterstützen, ob Trump dieses Versprechen einhalten und den hochverschuldeten Staat aufnehmen wird, bleibt offen.

Die Bewohner der Insel üben sich unterdessen in Geduld und im Gemüseanbau: Die Landwirtschaft boomt, seitdem die Finanzkrise ausgebrochen ist. In den letzten fünf Jahren sind die Einnahmen aus der Landwirtschaft um ein Viertel gestiegen, es gibt mittlerweile viermal so viele Bauernmärkte als 2012. Während Puerto Rico früher den Großteil der Lebensmittel importiert hat, haben die Menschen heute wieder begonnen sich selbst zu versorgen. (Nora Laufer, 13.11.2016)