Wien – Eigentlich hätte Peter Dressler für eine Auktion Möbelstücke ablichten sollen. Aber dann lagen in der Altbauwohnung, in die man ihn geschickt hatte, diese Dobermann-Schädel auf Regalen sortiert. Der Tierarzt, der hier gelebt hatte, züchtete Hunde, sezierte sie aber auch. Dressler, angetan von der morbiden Szenerie, beschloss, sich selbst darin zu fotografieren.

Der Pappkarton-Hund "Burschi" begleitete Peter Dressler auf vielen seiner Wege: "Mit großem Interesse" (1989).
Foto: Fotohof Archiv

In einen edlen Nadelstreif-Morgenmantel gehüllt, "belebte" der Künstler die verlassene Wohnung neu. In der Serie Bleibende Werte (1997) sieht man ihn hingefläzt zum Steiff-Teddy auf dem Diwan oder beim Schallplattenauflegen. Er legt die weiß behandschuhten Finger auf einen Globus, schaut in den Garderobenspiegel des Verstorbenen. Ist diese weltentrückte Figur nun Bewohner, Spurensicherer, Nachlassverwalter – oder gar der Tod selbst? Ein Wiener muss dieser ja bekanntlich sein.

Vor dieses schöne Rätsel kann man sich aktuell im Kunsthaus Wien stellen, wo Dressler eine sehenswerte Retrospektive mit dem Titel Wiener Gold gewidmet ist. Eröffnet wurde sie am Montag im Rahmen der Vienna Art Week, deren zwölfte Auflage unter dem Motto "Seeking Beauty" steht: Rund 200 Veranstaltungen befassen sich noch bis Sonntag mit Fragen der Harmoniesuche, aber eben auch mit dem Abgründigen, das dem Schönen nie fern ist. Zumal freilich in Wien, das im Werk Dresslers eine zentrale Rolle einnimmt. Erstaunlicherweise ist Wiener Gold dennoch die erste große Schau zum Werk des Fotografen in Österreich. Dressler, der 2013 70-jährig verstarb, war hierzulande außerhalb einer breiten Kunstöffentlichkeit geblieben.

Dabei hätte er sogar eine Art Markenzeichen entwickelt: Einen Terriermischling, den er Anfang der 1970er-Jahre auf einem Friedhof fotografiert hatte, druckte er auf Pappe aus, um ihn dieserart konserviert im Laufe der Jahre in allerhand Szenerien abzulichten. Nicht nur neben Tapire im Naturhistorischen Museum stellte er den wissend dreinblickenden Papphund namens "Burschi", sondern auch neben Marcel Duchamps Großes Glas im Philadelphia Museum of Art. Mit großem Interesse nannte Dressler die lang gepflegte Serie mit einigem Hintersinn.

"Unserem lieben Burschi"

"Burschi lässt auratisierte Räume kippen, stellt Hierarchien auf den Kopf", so erklärt Christine Frisinghelli vom Verein Camera Austria einen typischen Zug im so leichtfüßigen wie hintersinnigen Humor Dresslers. Frisinghelli hat die Schau zusammen mit Michael Mauracher und Rainer Iglar vom Fotohof Salzburg kuratiert, wo Dressler viele seiner Fotobücher verlegen ließ.

Den Namen seines Pappkartonbegleiters hatte Dressler indes auf einem Stadtspaziergang entdeckt: "Unserem lieben Burschi" stand auf einer Gedenktafel im Wienflussbecken. Es ist das Interesse für Zeichen im Stadtraum, das auch seine frühen Arbeiten prägt: für Wandkritzeleien und Gebotstafeln, aber auch für Statuen und Architektur. Gesammelte Fotos behandelte Dressler dabei nach dem "Setzkastenprinzip", brachte sie also in immer neue Konstellationen, um die Grammatik der Stadt zu erkunden.

Ab den 80ern entdeckte er noch ein anderes Format für sich: situationskomische und im besten Fall wunderbar poetische Bildserien, die oft von menschlichen Spleens handeln. In unmittelbarer Nähe (1997) zeigt ihn etwa als hypermotivierten Kunstsammler, der vor lauter Liebe zum Kunstwerk dasselbe "korrigiert". Dresslers Lust auf künstlerisch-selbstreflexive Anspielungen zeigt sich in Greifbare Schönheit (1992), dessen Protagonist im Pariser Warenhaus auf den Spuren Marcel Duchamps einen Flaschentrockner aufstöbert. Auf Sozialkritik ist dagegen Business Class (1996) aus, worin ein gieriger Businessman sein Hotelzimmer einpackt: Er stibitzt nicht nur die Shampooflascherln, sondern stopft gleich die Bettwäsche in seinen Koffer.

Dresslers Methode war dabei immer dieselbe: Es ging ihm darum, mit kleinen Gesten größtmögliche Poesie zu erreichen. Daher spielte Dressler die Hauptrolle in seinen Sequenzen auch immer selbst: "Dann muss ich niemandem etwas erklären." (Roman Gerold, 16.11.2016)