Donnerstagabend könnte Innsbruck noch eine Spur kälter werden, als es ohnehin schon ist. Der Gemeinderat entscheidet über das Schlafverbot für Obdachlose. Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer und die ÖVP wollen sichtbare Armut aus der Altstadt verbannen. Die FPÖ fordert noch schärfere Verbote, die SPÖ ist unentschlossen, Grüne und Sozialvereine laufen dagegen Sturm.

Das Argument, Obdachlose mit dem Verbot schützen zu wollen, ist vorgeschoben. Die Weihnachtsmarktsaison steht vor der Tür, zehntausende Italiener werden in den kommenden Wochen in Bussen über den Brenner herangekarrt. Sie sorgen für volle Kassen. Halb erfrorene Bettler stören dieses Adventidyll. Das ist nachvollziehbar. Zumindest aus Sicht der Innenstadtkaufleute. In deren Geschäftseingängen nächtigen die Obdachlosen.

Doch die Politik muss über diesen von Profit und Umsatz limitierten Teller hinaussehen. Sie darf nicht ignorieren, dass zahlungskräftige Kundschaft und die bittere Armut mittlerweile grenzenlos sind. Es ist Realitätsverweigerung, wenn man meint, soziale Probleme ganz einfach verbieten zu können. Es braucht Lösungen: in Form von Notschlafstellen, die allen Menschen offenstehen, die sonst keinen Platz mehr finden – ob ihrer Herkunft, ihres Benehmens oder ihrer Suchterkrankung.

Solange diese Alternative nicht besteht, muss statt eines Schlafverbots ein Denkgebot erlassen werden. (Steffen Arora, 17.11.2016)