Das Smart Home verspricht, vieles einfacher zu machen. Die Praxis sieht häufig allerdings noch ganz anders aus.

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Die Vernetzung unserer Heimgeräte gilt als ein wichtiger Zukunftsmarkt der Elektronikindustrie. Schon länger lassen sich etwa viele Fernseher mit dem Internet oder dem Handy verbinden und bieten diverse Zusatzfunktionen an. Auch Thermostate, Kameras und Beleuchtungssysteme gibt es längst in "kluger" Ausführung. Viele andere Utensilien, vom Kühlschrank bis zum Türschloss, folgen langsam nach.

Nicht nur für die Hersteller, auch für die Konsumenten bringt der technische Fortschritt ins "Smart Home" großes Potenzial mit. Großer Komfort, mehr Sicherheit und weniger Energieverbrauch lauten die Versprechungen der neuen Ära.

Bequeme Zukunft

Das Licht dreht sich automatisch ab, wenn man die Wohnung verlässt oder wird beim Fernsehen gedimmt. Der Thermostat senkt die Temperatur in der Nacht und sorgt von selbst aber dafür, dass es wieder wohlig warm ist, bevor der Wecker läutet. Die Kaffeemaschine springt natürlich ebenfalls selbsttätig an und liefert cremigen Cappucchino rechtzeitig zum Frühstück. Ein kluges Lautsprechersystem beschallt jedes Zimmer bei Bedarf nach eigenem Gusto, während ein im Spiegel integrierter Computer an die Termine des heutigen Tages erinnert.

Beim Einkaufen kann man künftig aus der Ferne per Smartphone einen Blick in den eigenen Kühlschrank werfen, während der Staubsaugerroboter vor dem Besuch von Verwandten noch einmal eine Runde dreht. Das elektronische Sicherheitssystem ermöglicht es, auch im Urlaub nach dem Rechten zu sehen und schlägt Alarm, wenn es verdächtige Aktivitäten wahrnimmt.

Eine Vision des Smart Homes der Zukunft. Das Video wurde 2014 von Samsung veröffentlicht.
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Ein Traum mit einem Haken

Soweit die Utopie aus den Werbesujets, deren theoretische Erfüllung in technischer Hinsicht schon erstaunlich weit fortgeschritten ist. Doch trotzdem will sie nicht so ganz zur Realität passen. Die schöne Vision hat so manchen Haken – und es sind die Hersteller selbst, die den Traum vom intelligenten, automatisierten Eigenheim bisweilen in ein dystopisches Fiasko verwandeln.

Das zentrale Problem des Smart Home im Jahr 2016 ist seine Sicherheit. Seit Jahren warnen Experten offenbar erfolglos vor den Risiken unzureichender Absicherung vernetzter Heimgeräte. Systeme, auf denen der Nutzer teils private Daten ablegt, die seine Vorlieben erlernen, mit Kameras ausgestattet sind oder gar über die Zutrittsmöglichkeit in die eigenen vier Wände entscheiden, sollten eigentlich nach höchsten Standards vor dem Zugriff Unbefugter gesichert sein.

Unerwünschte Zuschauer

Ein Credo, gegen das erschreckend oft verstoßen wird. Im Dezember 2012 entdeckten Sicherheitsforscher etwa gravierende Lücken in bestimmten Samsung-Fernsehern. Diese erlaubten Unbekannten, aus der Ferne auf die Geräte zuzugreifen, inklusive der Möglichkeit, die Besitzer mittels der integrierten Webcam und Mikrofon in Bild und Ton zu überwachen.

Dauerbrenner bei solchen Verfehlungen sind auch IP-Kameras. Schlampige Programmierung oder schwache Konfiguration machen den Eingangsbereich oder gar das Wohnzimmer nicht nur für Wohnungsbesitzer einsichtig, sondern auch gleich für Kriminelle, die sich per Klick über die Anwesenheit von Bewohnern informieren können.

Erschwerend kommt hinzu, dass es auch den Nutzern selbst mitunter an digitaler Mündigkeit mangelt. Oft wird das voreingestellte Passwort nie geändert und auch Softwareupdates für die Geräte nicht eingespielt. Erst langsam reagieren die Hersteller darauf mit Systemen, die sich selbst automatisch aktuell halten. Zumindest so lange, wie die Firmen bereit sind, Sicherheitsaktualisierungen zu liefern – womit gleich ein weiteres Problemfeld tangiert wäre.

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Standardisiertes Chaos

Und auch was das Schaffen von Standards für die reibungslose Zusammenarbeit diverser vernetzter Helfer angeht, glänzt die Industrie bislang nicht. Wer auf mehrere Hersteller setzt, muss mitunter für jedes Produkt mit einer eigenen App hantieren. Auch die Einrichtung vieler smarter Geräte funktioniert alles andere als intuitiv, was den gewonnenen Komfortgewinn sehr schnell relativiert.

Beispiel gefällig? Ein britischer IT-Experte hatte sich einen vernetzten Wasserkocher angeschafft, um sich jeden Tag ein paar Minuten Zeit zu ersparen. Doch das Küchengerät produzierte seltsame Fehlermeldungen und wollte so gar nicht mit dem bestehenden Heimautomatisierungssystem zusammenarbeiten. Das Martyrium von der Inbetriebnahme bis zur ersten Tasse Tee sollte schließlich elf Stunden lang dauern. (gpi, 18.11.2016)