Auch in Frankreich kommt Bewegung in die Politik. Im ersten Durchgang der Vorwahl der Konservativen schnitten die Favoriten Alain Juppé und Nicolas Sarkozy schwach bis sehr schlecht ab; an die Spitze (44 Prozent) katapultiert wurde Ex-Premier François Fillon, der noch Ende Oktober bei zehn Prozent gedümpelt hatte. Profitiert der 62-jährige Franzose vom "Trump-Effekt" der US-Wahl von Anfang November?

Auf den ersten Blick liegt der Schluss nahe. Fillon hat ein stramm rechtes Programm vorgelegt, das mit alten Zöpfen aufräumt, gesellschaftspolitisch sehr konservativ ist und dem Staatsapparat den Kampf ansagt – der frühere Regierungschef will dort gleich eine halbe Million Stellen kappen.

Und doch ist Fillon kein Trump à la française. Während der neue amerikanische Präsident populistisch agiert und protektionistische Wirtschaftsmaßnahmen plant, ist der 62-jährige Franzose ein Wirtschaftsliberaler der alten Schule. Sein Programm ist durchdacht und biedert sich nicht an den Zeitgeist an. Fillon ist selbst ein ruhiger, fast phlegmatischer Berufspolitiker, der noch nie durch einen wüsten Spruch aufgefallen ist. Er politisiert Lichtjahre entfernt von dem glamourösen Immobilienmogul aus New York.

Schlussspurt

Doch hatten sich die französische Umfrageinstitute und Parteieliten nicht ebenso getäuscht wie die amerikanischen? Nur zum Teil: Fillons Schlussspurt war in den Umfragekurven in der letzten Woche durchaus registriert worden. Zuvor hatten ihn auch die meisten Franzosen kaum wahrgenommen, während sich Juppé und Sarkozy duellierten.

Frankreich ist ein konservatives Land, dessen Seele bis heute in der bäuerlichen Provinz liegt. Fillon stammt aus dem Niemandsland um die Stadt Le Mans und verkörpert diesen Aspekt. Revolutionär und bilderstürmend ist sein Ansatz nur, weil er gegen den allmächtigen Staatsapparat antritt. Insofern kämpft er wie Trump gegen das "System" – aber unter französischen Vorzeichen. Fillon mag von einem "Trump-Effekt" profitiert haben, aber er ist in vielem das Gegenteil des künftigen US-Präsidenten.

Und wer weiß: Mit seiner biederen, ja altmodischen Art besiegt er vielleicht im nächsten Frühling Frankreichs Ultranationalistin Marine Le Pen – die eigentliche Trumpistin. (Stefan Brändle, 21.11.2016)