Exklusive Einblicke: In diesen Hallen in Boncourt (Schweiz) wird die "Sistem51" von Swatch zusammengebaut.

Foto: Swatch

Menschenhände sind dabei kaum mehr im Spiel.

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Swatch stellt den Herstellungsprozess bei mechanischen Uhren im untersten Preissegment (eine "Sistem51" kostet ab 140 Euro) gehörig auf den Kopf.

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Fräsen, Drehen, Montieren und Verzieren, das alles regeln in dieser neuen Eta-Fabrik Roboter. Ein gewaltiger Maschinenpark, der sich auf 50.000 Quadratmeter verteilt.

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Der Output ist gewaltig. Pro Minute werden in der Fabrik sechs Uhren hergestellt, 6.000 sind es pro Tag.

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Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass in Boncourt, im Kanton Jura, eine uhrentechnische Revolution stattfindet. Kaum hat man den eher verschlafen wirkenden Ort im Nordwesten der Schweiz verlassen, geht es vorbei an saftigen Wiesen, auf denen Bisons grasen. Unvermittelt tauchen am Horizont dann graue Zweckbauten mit Flachdächern auf – ein Komplex wie eine Festung.

Tatsächlich wird man nur auf spezielle Einladung eingelassen: Denn hinter den doppelt gesicherten Türen befindet sich die brandneue, mittlerweile zweite Produktionsstätte der "Sistem51" von Swatch. Betrieben wird die Uhrenfabrik von dem zum Bieler Uhrenriesen gehörenden Werkeproduzenten Eta, deren Werke nicht nur in Uhren der Gruppe, sondern in vielen anderen Konkurrenzmarken ticken.

Zwei Jahre Entwicklungsdauer

Mit der "Sistem51" ist die Swatch Group 2013 angetreten, den Herstellungsprozess der mechanischen Uhr auf vollkommen neuartige Beine zu stellen. Ihr Werk besteht aus nur 51 Teilen. So wenige Komponenten hat es in einem Automatikkaliber bisher nicht gegeben. Denn im Durchschnitt hat ein mechanisches Uhrwerk rund 120 Einzelteile.

Zwei Jahre wurde an diesem Werk Eta-intern gefeilt, 200 Personen sollen daran beteiligt gewesen sein. Das Ziel: die erste vollautomatisch von Maschinen gefertigte Automatikuhr der Welt. Die fünf Module des Kalibers (Eta C10 111 ) sind zu einem einzigen Element hermetisch verschweißt, dessen Mittelpunkt eine einzelne Schraube bildet. Auf diese Weise ist das Werk auch gleich gegen alle schädlichen Einflüsse wie Staub oder Wasser gefeit. Die Hemmung besitzt, wie sonst bei mechanischen Uhren üblich, keinen Regulator.

Denn die Ganggeschwindigkeit wird in der Fabrik mit einem Laser festgelegt, womit die manuelle Einstellung entfällt. Ein großes Federhaus sorgt zudem für eine recht ordentliche Gangreserve von 90 Stunden. Die Ganggenauigkeit soll neben einer langen Lebensdauer nur plus/minus zehn Sekunden pro Tag betragen. Der Rotor auf der Rückseite der Uhr, der durch seine Bewegung anstelle einer Batterie für die Energie sorgt, ist transparent und lässt einen Blick auf das Werk zu.

Aufs Minimum reduziert

Fräsen, Drehen, Montieren und Verzieren, das alles regeln in dieser neuen Eta-Fabrik Roboter. Ein gewaltiger Maschinenpark, der sich auf 50.000 Quadratmeter verteilt. Menschenhände sind hier nur gefragt, wenn einer der Automaten eine Fehlermeldung ausgeben sollte.

Als Basis für die Werkplatine dient korrosionsbeständiger Uhrenstahl, Arcap genannt. Auf einem großen Rad lagert dieses schwere Metallband – es erinnert an eine riesige Filmspule – und wird von einer Maschine langsam eingezogen. Dann beginnt die Arbeit der Roboter: Stück für Stück wandert der Rohling in der Produktionsstraße voran, über drei Geschoße verteilt sich die Montage der Uhr. Rationalisierung, darum geht es hier.

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Denn mit dieser Technologie stellt Swatch den Herstellungsprozess bei mechanischen Uhren im untersten Preissegment (eine "Sistem51" kostet ab 140 Euro) gehörig auf den Kopf. "Wir wollen aufzeigen, dass es möglich ist, eine hochwertige mechanische Uhr für das Basissegment zu produzieren, die dem Label ,swiss made' gerecht wird", sagt Swatch-Chef Nick Hayek.

Gewaltiger Output

Gerade die Labels "swiss made" und "mechanisch" sind es, die nach wie vor am Markt ziehen. Die Quarzuhr hingegen verliert weiter an Boden, was im Zusammenhang mit der Billigkonkurrenz aus Fernost und den zahlreichen am Markt befindlichen Smartwatches, die mittlerweile für kleines Geld zu haben sind, zu sehen ist.

Falls man im Basissegment keine Innovationen liefere, könne man gleich einpacken, warnt Hayek. Dann würde sich die Quarzkrise der 1970er-Jahre wiederholen. Der millionenschwere (genaue Zahlen werden nicht ausgewiesen) zweite Fabriksbau in Boncourt zeigt jedenfalls, dass man an den Erfolg des Produkts glaubt. Der Output ist gewaltig. Pro Minute werden in der Fabrik sechs Uhren hergestellt, 6.000 sind es pro Tag.

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Noch 2017 sollen zwei Millionen "Sistem51" hergestellt werden, die es in unterschiedlichen Plastik- und Edelstahlversionen gibt. Sie wird, schätzen Experten, bald die meistexportierte Schweizer Automatikuhr sein, mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent. Hayek sieht die Synergien innerhalb der Gruppe: "Nur wer die Basis beherrscht, kann sich auch die Luxussparte leisten." (Markus Böhm, RONDO, 27.11.2016)