Der Applaus im so selbstgerechten wie weltvergessenen "juste milieu" der europäischen TTIP-Gegner ist bestenfalls verhalten. Dafür überschlagen sich die KP-Kader in Peking in Jubelstürmen über die Pläne des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Dessen Ankündigung, er wolle die Transpazifische Partnerschaft (TPP) platzen lassen, ist die beste Nachricht, die Chinas Führung seit langem erreicht hat.

Dieser Umstand mag darauf hindeuten, dass es womöglich etwas Wichtigeres gibt als den von hysterischem Lustschauer erleuchteten Horizont aus angeblich diabolischen Konzerninteressen, manipulierten Schiedsgerichten und drohender Chlorhuhngefahr: eine wohlüberlegte politische Langfristplanung nämlich.

Abkommen wie TPP und TTIP haben mit dem Freihandel zu tun, sicher. Sie sind aber vor allem angewandte Geopolitik. Sie stellen geduldig gewobene Netzwerke dar, die Macht ausstrahlen und globale Dominanz herstellen sollen – durch die Definition von (Industrie- und Agrar-)Standards, Verfahrensweisen und handelsrechtlichen Abmachungen.

TPP und TTIP waren der strategische Versuch der Regierung Obama, Standards des Westens zu globalen Standards zu erheben – und damit das aufstrebende China einzuhegen. Nun ist TPP tot. Und TTIP wird es bald sein, wenn man Trumps Ankündigungen Glauben schenken darf. Fast könnte man meinen, dass neuerdings nicht bloß in Europa, sondern auch in Amerika protektionistische Bonhomie mit Politik verwechselt wird.

Mit der Transpazifischen Partnerschaft nimmt Donald Trump jedenfalls einen wesentlichen Baustein jener amerikanischen Chinapolitik aus dem Spiel, die Barack Obama und Hillary Clinton als Außenministerin vor beinahe einem Jahrzehnt definiert haben. Die beiden haben ihren außenpolitischen Schwerpunkt auf die Pazifikregion gelegt, weil bereits damals evident erschien, dass die amerikanischen Interessen wesentlich vom Management des Verhältnisses der USA zur Volksrepublik China abhängen.

Diese Beziehung hat mannigfaltige Ebenen. Sie reichen von gelegentlichen militärischen Geplänkeln, Cyberrangeleien und einer klassischen Bündnispolitik zu einer enormen ökonomischen Dimension. Vor allem über Letztere ist Peking – gemäß der jahrtausendealten Strategie, Abhängigkeiten von einem zentripetal ausgerichteten "Reich der Mitte" aufzubauen – äußerst erfolgreich. Welcher Staat in der näheren und ferneren Nachbarschaft wollte sich denn den Avancen dieses immer mächtigeren Kolosses widersetzen? Stichwort: neue Seidenstraße.

Die nach jahrelangen, komplexen und detailreichen Verhandlungen kurz vor der Ratifikation so plötzlich erfolgte Aufgabe von TPP treibt Länder wie Vietnam, Malaysia oder Singapur ohne Not in die Arme Pekings.

Ohne Not auch deswegen, weil China viel mehr Macht über die Vereinigten Staaten von Amerika ausübt, als es der heilige Donald vom Rust Belt je einzuräumen bereit wäre. Analog dazu, wie einst im Kalten Krieg die Nuklearbewaffnung die USA und die Sowjetunion aneinanderkettete, verbindet Washington und Peking nun ein Gleichgewicht des ökonomischen Schreckens: Die Chinesen brauchen die USA zwar als Absatzmarkt, sie halten aber auch abertausende Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen. Will heißen: Der Spielraum für Trump ist bereits eng. Und ohne TPP wird er noch enger werden. (Christoph Prantner, 22.11.2016)