Wien – Die Erbrechtsnovelle, die mit 1. Jänner 2017 in Kraft tritt, birgt Konfliktpotenzial. "Wir rechnen mit einer Zunahme von Streitereien, weil das Gesetz viele Detailfragen offenlässt und es noch keine Judikatur gibt", sagte der Präsident der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich, Michael Schwarz, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien.

Künftig werden Schenkungen berücksichtigt und indexiert, der Pflichtteil für Eltern und Großeltern entfällt und die Enterbungsgründe wurden angepasst. Neu ist auch, dass eine Scheidungsklage ein Testament zugunsten des Ehepartners automatisch aufhebt. Und Pflegeleistungen werden erstmals im Erbrecht anerkannt. Die Änderungen, die ab Jahreswechsel gelten, wurden bereits im Juli 2015 im Nationalrat beschlossen.

Pferdefuß Zinsen

Das außerordentliche Erbrecht für Lebensgefährten, das ebenfalls neu eingeführt wird, bezeichnete Schwarz allerdings als "Etikettenschwindel", hier ist aus Sicht der Kammer weiter ein Testament nötig. Auch die vor allem für Familienunternehmen geschaffene Möglichkeit, den Pflichtteil des Erbes zu stunden oder in Raten zu zahlen, sei oft nicht praxistauglich. Der "Pferdefuß" hier seien die vier Prozent Zinsen, die das Gesetz vorsieht.

Zusammengefasst sei mit der Novelle die Kernfamilie, also Kinder und Ehepartner, bessergestellt worden, die Umsetzung werde aber auf Probleme und Schwierigkeiten treffen, prognostiziert Schwarz. Für sogenannte fremdhändige Testamente gelten ab 2017 zudem strengere Formvorschriften, was Unterschrift und Wahlzeugen betrifft.

Die Rechtsanwaltskammer empfiehlt daher, sich von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen. Die Errichtung eines Testaments durch einen Anwalt kostet ab 250 Euro. Wichtig sei weiters die regelmäßige Überprüfung, die richtige Verwahrung sowie eine Eintragung im Testamentsregister. Aus der Praxis wisse man nämlich, dass unliebsame Testamente auch verschwinden können.

Nur 13 Prozent besitzen Testament

Die Kammer wies darüber hinaus auf eine seit 2015 geltende EU-Richtlinie für grenzübergreifende Erbschaften hin. Denn nun sei innerhalb der EU der letzte Wohnsitz maßgeblich für das anzuwendende Erbrecht. Testamente sollten an diese Änderungen angepasst werden und darin vermerkt werden, welches Recht gilt.

Die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich hat auch eine österreichweite Online-Umfrage zum Thema Erben durchgeführt. Obwohl es ein Thema sei, dass "täglich unter den Nägel brennt" und innerhalb der Familie auch öfters besprochen wird, sei die Kenntnis des Erbrechts in der Bevölkerung nicht besonders gut, stellte Schwarz fest. Die Hälfte der 800 Befragten hat sich demnach noch nie Gedanken über ein Testament gemacht und nur 13 Prozent würden eines besitzen. Ein Viertel der Familien hat wegen des Themas schon einmal gestritten. (APA, 23.11.2016)