Was mir schon sehr früh auffiel, war, wie meine Eltern das Geld, das sie verdienten, meist sofort wieder in ihre Herkunftsländer schickten. Anfangs hielt ich das für eine Eigenschaft meiner eigenen Familie, ich wusste nicht, dass das viele genauso machen. Aber in Gesprächen mit anderen Migranten wurde mir schnell klar: Meine Eltern sind nicht die Einzigen.

Laut einer Studie der Weltbank von 2015 geht es um eine Summe von 440 Milliarden Euro, die Migranten und Flüchtlinge jährlich wieder zurück in ihre Heimat schicken. Diese Milliarden erhalten Millionen Familien in Entwicklungsländern am Leben und springen dort ein, wo Entwicklungsgelder durch Korruption und Versagen von Regierungen nicht hinkommen. Durchschnittlich senden Migranten 300 Euro pro Transfer, schreibt Spiegel online, zu Feiertagen und besonderen Anlässen wird zusätzlich noch etwas draufgelegt. Wer profitiert davon?

Einerseits natürlich die Familien, die das Geld erhalten. Doch die Art und Weise, wie sie das Geld erhalten, spielt Finanzdienstleistern und Transferunternehmen in die Hände. Das beste Beispiel ist Western Union, die mit hohen Gebühren Gewinn macht. Würde man beispielsweise aus den USA nach Mazedonien 100 Dollar überweisen, würden dort nur 87,45 Euro ankommen. Zusätzlich fallen zwölf Dollar Spesen an. Für eine Einzahlung von 112 Dollar erhält der Empfänger also nur 87,45 Euro – über 16 Prozent gehen als Spesen an Western Union.

Umsatz mit Flüchtlingen

Der Vorteil an Western Union ist, dass es überall Auszahlungsstellen gibt. Trafik- und Postbesitzer, Einzelunternehmer: Sie alle können recht einfach eine Filiale eröffnen und erhalten eine Provision pro Überweisung. In Regionen mit wenig Infrastruktur gibt es meist keine andere Option. Auch durch die Flüchtlingskrise wird Umsatz gemacht.

Doch dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass die Wirtschaft in diesen Ländern auf diese Gelder irgendwie angewiesen ist. Vor allem für Eltern und Großeltern, bei denen die Pension (falls es überhaupt eine gibt) nicht mehr reicht, und daheimgebliebene Frauen mit Kindern. Somit tragen Migranten und Flüchtlinge nicht nur Verantwortung für sich selbst in einem neuen Land, sondern auch noch für die Familie, die weit entfernt ist. Es spannt sich ein Seil zwischen zwei Ländern, und ich frage mich, was wäre, wenn. Was wäre, wenn Migranten nicht diese Aufgabe hätten? Wären sie wohlhabender? Hätten sie weniger finanzielle "Kopfschmerzen"? Was würden sie mit dem Geld machen, das ihnen in der Tasche bleibt? Es spannt sich ein Seil zwischen zwei Ländern. Hoffen wir, dass es nicht reißt. (Nadine Dimmel, 23.11.2016)