Je später man den Täter nach der Gewaltanwendung erreicht, desto vielschichtiger und ausufernder sind die Erläuterungen zum Tathergang.

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Es ist das klassische Bild, mit dem die Mitarbeiter der Gewaltberatung des Instituts für Sozialdienste (IFS) regelmäßig zu tun haben: Ein Mann schlägt seine Frau oder bedroht sie. Die Betroffene ruft die Polizei und bittet um Hilfe. Was danach passiert, ist für viele Außenstehende unbekannt: Der Gewalttäter wird vom Opfer getrennt, wird also weggewiesen. Das ist eine gefährliche Zeit, in der der Täter unbeobachtet weiterhin gewalttätig werden kann.

Hier greift die Gewaltberatung in Feldkirch in Vorarlberg ein. Sie konfrontiert und hilft den Gewalttätern in der Zeit nach der Gewaltanwendung, sich mit der Tat auseinanderzusetzen und ihnen Ziele und Perspektiven für ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben zu schaffen.

Rasche Gespräche

Kurz nach der Tat setzt die Gewaltberatung ein: Erste Gespräche werden mit dem Gefährder geführt, damit ihm bewusst wird, welche Verantwortung für die Tat übernommen werden muss. Danach werden Beratungen und Workshops angeboten, um Gewaltakte in Zukunft zu verhindern.

Innerhalb der ersten 72 Stunden nach der Gewaltanwendung werden circa 90 Prozent der Betroffenen erreicht, 56 Prozent davon kommen zu einem Gesprächstermin mit der Gewaltberatung. Dabei nehmen wir Berater eine wertende Haltung ein. Wir verurteilen und missbilligen jegliche Gewalthandlung, bieten aber gleichzeitig Unterstützung und Begleitung bei der Entwicklung neuer, gewaltfreier Verhaltensweisen an.

Zu den Tätern gehören nicht nur Männer. Wir betreuen des Öfteren auch Frauen, die ihre Männer verprügeln oder die ihre Kinder bedrohen und schlagen.

Opfersituation geregelt

Bei Wegweisungen – eine intensive, aber notwendige Intervention in Familien – stellt sich unter anderem die Frage, wohin sich der weggewiesene Mann oder die weggewiesene Frau mit unterschiedlichen Anliegen und insbesondere mit der Auseinandersetzung über die eigene Gewalttat wenden kann. In dieser Phase befindet sich der Gewaltanwender in einem unbeobachteten und unbetreuten Status. Er bleibt auf sich selbst gestellt, es ist nicht bekannt, wo er oder sie nach der Wegweisung hingeht, und selbst eine Unterstützung wie jene der IFS-Gewaltberatung ist nicht verpflichtend. Eine solche Betreuung ist aber grundlegend notwendig, und sollte vom Gesetzgeber geregelt werden.

Im Gegensatz dazu hat der Gesetzgeber die Opfersituation in Form des Gewaltschutzes klar und deutlich verankert: Mit dem Opfer wird nach der Wegweisung des Angreifers Kontakt aufgenommen.

Konfrontation und neue Perspektiven

Wird der Täter oder die Täterin bereits kurz nach der Gewaltanwendung erreicht, gibt es eine höhere Bereitschaft, die eigene Gewalttätigkeit zu erkennen und sich damit auseinanderzusetzen. Gefährder erkennen dabei viel schneller die Auswirkungen ihrer Tat, sind selbst davon erschüttert, und es ermöglicht der Gewaltberatung eine klare und noch unmittelbarere Konfrontation des Täters oder der Täterin mit dem Tun. Zudem bricht die rasche Auseinandersetzung von Täter und Tat das Schweigen und öffnet neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten.

Je später man den Täter oder die Täterin nach der Gewaltanwendung erreicht, desto vielschichtiger und ausufernder sind die Erläuterungen zum Tathergang. Das Warum steht so immer mehr im Mittelpunkt und nicht die Tat selbst.

Kooperation mit der Polizei

Um Gewalt nachhaltig zu beenden, ist die Polizei auf die Kooperation mit den Gewaltanwendern angewiesen. Dafür werden die Kontaktdaten der Personen benötigt, um sich im Fall des Falles nach der Gewalttat mit dem Täter oder der Täterin auseinandersetzen zu können.

Beratungen für Gewalttäter

Die Motivation des Täters oder der Täterin, die Kontaktdaten unter Berücksichtigung des Datenschutzes bekanntzugeben, ist nur der erste Punkt in der Anfangsphase der Gewaltarbeit.

In den fünf Jahren, in denen dieses Projekt auch aus Sicht der Polizei positiv verläuft, konnten 386 Täter und Täterinnen motiviert werden, ihre Daten weiterzugeben. Das ist ein Drittel der gesamtheitlich in Vorarlberg ausgesprochenen Wegweisungs- und Betretungsverbote. (Arno Dalpra, 15.12.2016)